
„Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte. Er hieß Jean-Baptiste Grenouille, und wenn sein Name im Gegensatz zu den Namen anderer Scheusale, wie etwa de Sades, Saint-Justs, Fouchés, Bonapartes usw., heute in Vergessenheit geraten ist, so sicher nicht deshalb, weil Grenouille diesen berühmteren Finstermännern an Selbstüberhebung, Menschenverachtung, Immoralität, kurz an Gottlosigkeit nachgestanden hätte, sondern weil sich sein Ehrgeiz auf ein Gebiet beschränkte, welches in der Geschichte keine Spuren hinterlässt: auf das flüchtige Reich der Gerüche.“
Mit diesem gleichermaßen genialen ersten Absatz beginnt dieses Buch und katapultiert einen bereits auf der ersten Seite ins Paris des 18. Jahrhunderts, an den übelriechensten Ort der Stadt, auf den Fischmarkt. Dort erblickt Grenouille gerade das Licht der Welt. Und fortan weichen wir ihm nicht mehr von der Seite, begleiten ihn auf seinem Weg und lernen schon bald seinen entscheidenden Makel kennen: er hat keinen Geruch. Dafür übertrifft sein eigener Geruchssinn den eines normalen Menschen um ein Vielfaches. Und so entsteht eine grausame Phantasie in seinem Kopf: Ein Parfum aus den schönsten Frauen der Stadt herzustellen.
Warum liebe ich dieses Buch so?
Zunächst mal ist die Idee und Anlage der Geschichte natürlich sensationell gut. Ein ausgesprochen reizvolles Thema, in sich stimmig und in dieser Form noch nicht dagewesen. Wenn so eine gute Grundidee dann auch noch erzählerisch auf höchstem Niveau ausgearbeitet wird, dann ist das schon mal mehr als die halbe Miete für einen ganz großen Roman. Aber hier ist noch mehr passiert.
Süskind gelingt es, durch seine Erzählweise eine so dichte Atmosphäre zu erschaffen, dass man förmlich aus der Zeit fällt. Man sitzt nicht mehr zu Hause gemütlich mit einem Buch auf dem Sofa, man geht durch die stinkenden Straßen von Paris. Ich hab das Buch jetzt mittlerweile viermal gelesen und trotzdem kann ich mich der Sogkraft dieser Geschichte nicht entziehen. Man wird förmlich in die Geschichte eingesaugt und erlebt nicht nur die Welt an der Seite des Protagonisten, man erriecht sie. All die Gerüche des Grenouille, es werden deine!
Und wenn Wörter Gerüche in einem entstehen lassen, wenn man plötzlich Gerüche wahrnimmt, wo vorher keine waren, dann hat der Autor alles richtig gemacht. Für mich ein absolutes Meisterwerk.
Patrick Süskind: Das Parfum. Zürich: Diogenes, 1985