
Wie wird ein Kind zum Menschen, zu einem mitfühlenden sozialen Wesen, wenn es die Verwundbarkeit nicht kennt? Wenn es nicht versteht, wie sehr etwas wehtun kann?
Diese Frage stellt der Klappentext stellvertretend für Alma, deren Sohn keinen Schmerz empfinden kann.
Ein Roman einer emotionalen Spurensuche, den gelebten, aber vor allem den ungelebten, die Generationen überdauern.
Der Auftakt dieses Romans hat mir außerordentlich gut gefallen, denn hier berichtet die Autorin von Almas Kindheit, die Beziehung zu ihren Eltern und Großeltern. Die erdrückende Atmosphäre der gegenseitigen Fremdheit und Sprachlosigkeit ist sehr gut herausgearbeitet worden, sowohl inhaltlich als auch sprachlich. Die innere Einsamkeit der Protagonistin lässt sich gut nachempfinden.
Je länger ich jedoch gelesen habe – und der Roman ist wahrlich nicht dick – hat mich die Geschichte immer mehr verloren und das lag für mich nicht am Thema, sondern an der Umsetzung.
Man hat das ja manchmal bei Musikvorträgen. Vor lauter Bemühen, besonders gut zu singen und die richtigen Töne zu treffen wird es zu einem seelenlosen Gesang – schön, aber ohne Emotion.
Und so ähnlich ging es mir hier. Vor lauter Bemühen um die perfekte sprachliche Form kam bei mir immer weniger an Emotion an, was umso fataler ist, da es ja genau um dieses Thema geht. Auch fand ich den inneren Klappentext einigermaßen irreführend, denn er suggeriert, die besondere Situation des gefühllosen Kindes wäre ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte. Das hab ich so nicht empfunden. Für mich war das eher ein Aufhänger am Rande. Im wesentlichen geht es hier um Alma und ihre Spurensuche in der Vergangenheit.
Die ist sprachlich schön anzuschauen, aber mitnehmen konnte sie mich nicht.
Valerie Fritsch: Herzklappen von Johnson & Johnson. Berlin: Suhrkamp, 2020