Aharon Appelfeld: Sommernächte



Als ich gelesen habe, worum es in diesem Roman geht, führte mich mein Weg direkt in den nächsten Buchladen. Und dann auch noch mit einem so schönen Cover…

Kurz vor seiner Deportation gibt der jüdische Kaufmann seinen Sohn Michael in die Obhut eines Familienfreundes. Der alte Sergej, inzwischen erblindet, zieht als Landstreicher durch die ukrainischen Wälder und nimmt sich des Kindes an, der fortan Janek genannt wird. Der Junge ersetzt ihm das Augenlicht, während der alte Soldat ihm alles lehrt, was man zum Überleben in der Wildnis braucht.

Eine sehr bewegende Geschichte, vor allem, wenn man bedenkt, dass der Autor hier seine eigenen Kindheitserlebnisse verarbeitet hat. Das Zusammenspiel zwischen dem Kind und dem alten Mann hat etwas sehr anrührendes. Ebenso wie einem die Grundsituation ans Herz geht: wie ein Kind plötzlich aus seinem wohlbehüteten Zuhause gerissen wird und von einem Tag auf den anderen vogelfrei wird. Ich hätte diese Geschichte so gerne geliebt…

Nur leider hat mir die Umsetzung gar nicht gefallen. Rein schriftstellerisch finde ich es sehr schwach. Nach den ersten 50 Seiten gibt es inhaltlich so gut wie keine Entwicklung mehr. Man fühlt sich förmlich wie in einer Murmeltier-Zeitschleife gefangen. Zum Ende kommt zwar noch eine abschließende Variante dazu, die sich von der Dynamik aber leider der flachen Erzählkurve angleicht.
Obwohl die Geschichte viele emotionale Momente hat, wurden sie erzählerisch nicht aufgegriffen. Stattdessen verliert sich das Buch in einer Art Dauerpredigt. Auf fast jeder Seite begegnen einem religiöse Weisheiten, in stetem Wechsel mit wegweisenden Träumen, die Janek jede Nacht heimsuchen. Das hat mich schwer an meine alte Kinderbibel erinnert. Und für religiöse Leser*innen mag das auch eine positive Wirkung haben, aber auf mich wirkte es auf die Dauer regelrecht nervtötend. Nun mag der Glaube im Leben des Autors eine überlebenswichtige Rolle gespielt haben und das ist auch absolut in Ordnung so.

Aber das zum inhaltlichen Mittelpunkt eines Romans zu machen, finde ich problematisch. Für mich wirkte das eher wie eine religiöse Schrift und hat das eigentliche Thema überlagert. Auch wenn der Glaube in der damaligen Situation eine wichtige Rolle gespielt hat. Das hätte man deutlich dezenter einflechten können. Stattdessen hätte ich mir einen tieferen Einblick in die Personen gewünscht, da blieb vieles an der Oberfläche. Auch sprachlich hat mich das Buch nicht überzeugt. Viele Dialoge wirkten steif und ungelenk, die Sprache wenig ausgefeilt. Möglicherweise liegt das auch an der Übersetzung. Insgesamt sehr, sehr schade.

Bewertung: 2 von 5.

Aharon Appelfeld: Sommernächte. Berlin: Rowohlt Verlag, 2022

Schreiben Sie einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Verbinde mit %s