Takis Würger: Unschuld

Fünfunddreißig Tage bleiben Molly Carver noch, um die Unschuld ihres Vaters zu beweisen. Für den Mord an dem Sohn seines ehemaligen Arbeitgebers sitzt er in der Todeszelle und wartet auf die Vollstreckung des Urteils.
Besagter ehemaliger Arbeitgeber gehört zu den reichsten Familien der Vereinigten Staaten und nimmt eine bedeutende Funktion in der Waffenlobby-Organisation des Landes ein.
Und gerade hinter die Kulissen dieser mächtigen Familie möchte Molly einen Blick werfen, denn zufällig ist gerade dort eine Stelle als Zimmermädchen frei…

Das ist ja mal was ganz anderes aus der Feder des Autors. Ein Roman, der als Kriminalfall daherkommt und doch noch etwas anderes ist. Denn hier blickt man nicht nur hinter die Fassade der Schönen und Reichen, sondern direkt auf die massiven Probleme, die dieses Land hat: soziale Ungleichheit, Lobbyismus, Drogenmissbrauch, Todesstrafe, das Recht auf Waffenbesitz und anderes mehr.
Für mich war das Thema sehr interessant, da ich gerade dieses Jahr in den USA war und die Widersprüche dieses Landes hautnah miterleben konnte. Während auf dem Hollywood Boulevard Obdachlose auf der Straße liegen oder im Drogenrausch schreiend herumrennen, findet einige hundert Meter weiter eine Filmpremiere auf dem roten Teppich statt. Daran hat mich die Szene erinnert, als Molly einen verdeckter jungen Mann vor dem Anwesen der Rosendales entdeckt, der dort neben der Einfahrt liegt.
Das gefällt mir besonders an diesem Buch, dass es gut recherchiert und beobachtet ist. Dadurch wirkt das Buch sehr authentisch.
Und was für dieses Buch spricht: ich habe es quasi in einem Stück durchgelesen. Für mich hatte es genau das richtige Maß an Spannung, ohne unnötige Längen oder sonstigen Schnickschnack drumrum. Die Sprache ist schnörkellos und eingängig, so dass sich ein guter Lesefluss, in meinem Fall sogar Sog, ergibt. Ich wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht.

Teilweise wurde in den Rezensionen zum Buch die mangelnde Tiefe der Figuren bemängelt. Ja, stimmt – da geht mehr. Anderseits muss man auch nicht in jedem Roman die Charaktere bis ins Mark aufbohren. Vielleicht geht’s hier auch einfach um andere Dinge. Für mich war das Buch eine Mischung aus guter Unterhaltung und gesellschaftskritischem Blick. Es hatte auf mich nicht ganz die Wirkung von ‚Stella‘ oder ‚Der Club‘, ist aber durchaus sehr lesenswert.

Bewertung: 4 von 5.

Takis Würger:Unschuld. München: Penguin Verlag, 2022

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