
Neunzig Jahre ist es jetzt her, dass dieser Monat als Beginn der Naziherrschaft in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Innerhalb weniger Wochen wurden das Parlament und sämtliche Grundrechte außer Kraft gesetzt.
Was das für die Intellektuellen und Kulturschaffenden des Landes bedeutete und wie sie diese Tage durchlebten, davon erzählt dieses Buch.
Auch wenn ich schon einiges über diese Zeit gelesen habe, bin ich immer wieder auf’s Neue entsetzt, wie schnell Hitlers Machtergreifung von statten ging und wie naiv ihm führende Politiker und Funktionäre dafür den Weg bereitet haben. Naiv aus heutiger Sicht, denn auch viele Intektuelle haben diese Entwicklung nicht kommen sehen und gingen davon aus, dass der Spuk bald vorbei ist. Noch zu Beginn des Monats schlägt Heinrich Mann den dringenden Rat eines Freundes zur Flucht in den Wind und hält es für übertriebene Panikmache. Nur sieben Tage später muss er unter größter Geheimhaltung das Land verlassen, bevor ihm der Pass entzogen wird. Buchstäblich in letzter Minute, denn schon am nächsten Tag durchsucht die SA seine Wohnung. So weitsichtig wie Joseph Roth sind seinerzeit nur die Wenigsten – so unvorstellbar erscheint das, was kommen wird. In einem Brief an Stefan Zweig schreibt er bereits Ende Januar 33:
„Inzwischen wird es Ihnen klar sein, daß wir großen Katastrophen zutreiben. Abgesehen von den privaten – unsere literarische und materielle Existenz ist ja vernichtet – führt das Ganze zum neuen Krieg. Ich gebe keinen Heller mehr auf unser Leben. Es ist gelungen, die Barberei regieren zu lassen. Machen Sie sich keine Illusionen. Die Hölle regiert.“ (S. 31)
Das Buch spiegelt die ganze Palette der Einschätzungen der politischen Lage innerhalb der damaligen Künstlerszene wieder und die jeweiligen Handlungen, die daraus folgten. Einige passten sich den veränderten Bedingungen an, andere bezahlten für ihre politische Einstellung mit dem Leben. Für die meisten führte der Weg ins Exil.
Für mich ein ausgesprochen interessantes und lesenswertes Buch. Allerdings sollte man schon einiges an Vorwissen über die Kulturschaffenden dieser Zeit mitbringen, um das Geschriebene besser einordnen zu können. Es fallen viele Namen und es ist daher hilfreich, wenn man dazu ein Bild vor Augen hat oder den einen oder anderen Klassiker kennt.
Uwe Wittstock: Februar 33 – Der Winter der Literatur. München: Beck, 2021