Kristine Bilkau: Nebenan

Sie wohnen Tür an Tür und kennen sich, zum Teil schon seit Jahrzehnten. In diesem kleinen Dorf am Nord-Ostsee-Kanal. Man kennt sich und doch ist man sich fremd. Zieht man sich nur allzu schnell ins Private zurück und wahrt seine kleinen Geheimnisse. Was einem spätestens dann bewusst wird, wenn plötzlich eine komplette Familie aus der Nachbarschaft spurlos verschwindet…

Klingt nach meinem Geschmack erstmal ganz vielversprechend und nach den vielen positiven Rezensionen war ich sehr zuversichtlich, dass mir dieses Buch gefallen könnte.
Tatsächlich werden hier auch einige interessante Aspekte angeschnitten: Unerfüllter Kinderwunsch, Großstadtflucht, beginnende Demenz, enttäuschte Freundschaften oder problematische Eltern-Kind-Beziehungen. Aber angeschnitten trifft es hier ganz gut. Keins dieser Themen ging wirklich in die Tiefe. Sie blieben für mich jeweils im Raum stehen, ohne einen großen Nachhall zu hinterlassen. Auch die Charaktere wirkten auf mich relativ blass. Ich konnte mich bei keinem so richtig einfinden.
Das rätselhafte Verschwinden der Familie hat zwar durchaus seinen Reiz, nur leider verpufft die Thematik am Ende.


Das titelgebende Leben nebeneinander her ist zwar gut eingefangen worden und ist auf jeden Fall positiv hervorzuheben. Darüber hinaus konnte mir dieses Buch aber weder besondere Erkenntnisse noch Emotionen entlocken. Und das ist mir für einen Buchpreis dann doch zu wenig. Da hatte ich mir doch deutlich mehr versprochen.

Bewertung: 2.5 von 5.

Kristine Bilkau: Nebenan. München: Luchterhand Literaturverlag, 2022

Dante Alighieri: Die göttliche Komödie

Sie gehört zu den ganz großen Werken der Weltliteratur, die Göttliche Komödie – entstanden zwischen 1307 und 1321, in gedruckter Form aber erst 1472 erschienen.
Vieles an persönlicher Auseinandersetzung ist in dieses Werk eingeflossen, denn Dante lebte aufgrund eines gegen ihn verhängten Todesurteils seit 1301 im Exil, nachdem alle seine Güter beschlagnahmt wurden.
Auf dem Hintergrund dieser Lebenskrise wundert es nicht, dass man Dante höchstselbst an der Seite Vergils auf der Wanderung durch die drei Jenseitsreiche begleitet. Dabei begegnet er nicht nur zahlreichen historischen Persönlichkeiten, politischen Widersachern und Weggefährten, die ihre jeweilige Strafe verbüßen, sondern macht auch selbst einen Prozess der Läuterung durch.
In jeweils 33 bzw. 34 Gesängen führt dieser Weg durch die sieben Kreise der Hölle (Inferno), das Fegefeuer (Purgatorio) hin zum Paradies (Paradiso).

Das war wahrlich keine einfache Kost, soviel schon mal vorab. Teilweise auch regelrecht Recherchearbeit, denn spätestens bei den zeitgenössischen Anspielungen zur florentinischen Politik ist man in der Regel raus. Leider hatte ich in meiner Ausgabe aus dem Nikol-Verlag keine Anmerkungen, obwohl ich sie optisch wunderschön finde. Geholfen hat mir beim Verständnis des doch sehr schwierigen Werkes – neben Google – die Einführung von Franziska Meier.

Gut gefallen hat mir die Bildhaftigkeit und die komplexe Anlage der Jenseitsreiche, in der antike und christliche Vorstellungen miteinander verschmelzen. Ich hatte vieles sehr bildlich vor Augen und das hat gerade auf dem Weg durch die Hölle und das Fegefeuer eine sehr apokalyptische Stimmung verbreitet. Auch die unterschiedliche Gewichtung der Sünden und ihrer entsprechenden Strafen, die zum Teil deutlich von unserem heutigen Verständnis abweicht, fand ich sehr interessant.

Beim Paradies war dann aber für mich Schluss – was hat das zu bedeuten…
Ähnlich wie Dantes Begleiter Vergil kam ich hier auch nicht rein, gedanklich gesehen. Das war mir zu theologisch mystifiziert, zu verklärend, auch wenn diese Art der Darstellung zum Gesamtentwurf passt. Aber auch die Idealisierung von Dantes Jugendliebe Beatrice, die ihn engelsgleich durch die Kreise des Himmels führt, war mir zu viel des Guten. Trotzdem bin ich froh, es gelesen zu haben, denn es liefert das nötige Hintergrundwissen für all die Verweise, die es in der Literatur immer wieder auf dieses Werk gibt. Allerdings sollte man nicht mit dem Anspruch rangehen, jedes Detail verstehen zu wollen. Dann könnte es ein ziemlich umfangreiches Projekt werden…

Bewertung: 2.5 von 5.

Dante Alighieri: Die göttliche Komödie. Hamburg: Nikol Verlag, 2016 (italienisches Original 1307-1321)

Hermann Hesse: Der Steppenwolf

Das Buch beginnt mit dem Vorwort eines fiktiven Herausgebers, der von dem seltsamen Untermieter seiner Tante berichtet, mit dem er eine zeitlang Wand an Wand gewohnt hat. Dessen hinterlassene Aufzeichnungen sind wesentlicher Bestandteil des Romans.
Dass es sich bei besagtem Untermieter um eine etwas spezielle Person handelt, macht schon der Untertitel dieser Aufzeichnungen deutlich: Nur für Verrückte…
Aber es ist weniger eine Geisteskrankheit die den Protagonisten hier umtreibt, sondern die innere Verzweiflung an einer Welt, der er sich nicht zugehörig fühlt.
Dem überholten Preußentum und den bürgerlichen Wertvorstellungen kann er wenig abgewinnen und isoliert sich zunehmend von den Menschen, er wird zum Steppenwolf – einsam und verschlossen.
Doch bevor er sich das Leben nehmen kann, kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung…

Eigentlich mag ich ja die etwas eigenwilligen Charaktere und an Hesses ‚Unterm Rad‘ habe ich noch positive Erinnerungen, auch wenn dieses Schullektüre schon lange zurückliegt.
Aber mit diesem Steppenwolf konnte ich gar nichts anfangen.
Da gibt es sicher eine Reihe kluger Gedanken, aber das war für mich eine überwiegend zähe Abhandlung mit nihilistischem Unterton, zumindest im ersten Teil des Buches. Der Grundton wird nach der Begegnung mit Hermine zwar positiver und der Ausblick ist ja durchaus erfreulich, aber den negativistischen Beigeschmack hab ich nicht wegbekommen.
Vielleicht liegt meine mangelnde Begeisterung auch daran, dass mir Harry Haller als Persönlichkeit fremd geblieben ist. Vielleicht bin ich dazu ein zu lebensbejahender und geselliger Mensch, um mich in einen Steppenwolf wirklich einfühlen zu können.

Aber das Buch wäre kein Klassiker geworden, wenn es nicht genug Leute gäbe, die das an meiner Stelle tun… Von daher nicht mein Buch, aber durchaus eins für andere Steppenwölfe!

Bewertung: 2.5 von 5.

Hermann Hesse: Der Steppenwolf. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag,1974 (Original 1927)

Vincent Kliesch / Sebastian Fitzek: Die Frequenz des Todes

Hier ist also die Fortsetzung von Auris, in der man die alten Bekannten wiedertrifft. Jula soll Hegel diesmal dabei helfen, ein entführtes Baby zu finden. Im Austausch dazu bietet er ihr Informationen über ihren totgeglaubten Bruder an, auf die man schon den ganzen ersten Teil über gewartet hat… #reichtauchirgendwannmal

Zu diesem Buch muss ich dazu sagen, dass ich es nicht gelesen hätte, wenn ich nicht auch schon beim ersten Teil in einer Leserunde auf Instagramgewesen wäre. Das macht auch ein wenig überzeugendes Buch zu einer unterhaltsamen Angelegenheit.

Teil 2 ging überraschend gut und spannend los, auch Jula ging mir diesmal weniger auf die Nerven, so dass ich erstmal ganz angetan war. Die vielen offenen Fragen der ersten Hälfte mündeten aber in einer für meinen Geschmack völlig überkonstruierten Geschichte, bei der ich immer weniger mitgehen konnte. Spätestens als Jula einen Widersacher mittels Karatetritt aus dem Fenster befördert, fühlte ich mich in eine Vorabendkrimiserie versetzt – und nicht unbedingt die beste…
Dazu passen dann auch die recht oberflächlich gestrickten Charaktere, das war mir eindeutig zu oberflächlich und stellenweise auch nicht glaubwürdig.
Besonders ärgerlich fand ich den erneuten Cliffhanger am Schluss. Was soll das? Rechnet Kliesch sonst damit, dass man nicht weiterliest?
Da mich die erste Hälfte des Buches doch ganz gut unterhalten hat, würde ich noch knappe drei Sterne vergeben. Aber mehr war das für mich leider nicht.

Bewertung: 2.5 von 5.

Vincent Kliesch / Sebastian Fitzek: Die Frequenz des Todes _ Auris. München: Droemer Verlag, 2020

Simon Beckett: Die ewigen Toten

Die meisten Menschen glauben zu wissen, wie Verwesung riecht. Sie denken, der Geruch wäre markant, unverwechselbar, der faulige Gestank des Grabes.

So beginnt Becketts neuster Thriller, der 6. Fall rund um den forensischen Anthropologen David Hunter. In gewohnter Weise mit sehr detailierten Schilderungen zu Verwesungprozessen und allem, was das Thema Forensik so zu bieten hat und was seine Leser so zu schätzen wissen. Ich übrigens auch!
Schauplatz des Geschehens ist ein verlassenes Krankenhaus, in das sich nur noch Fledermäuse verirren. Vermeintlich, denn durch Zufall wird auf dem Dachboden des verfallenen Gebäudes eine stark verweste Frauenleiche gefunden, eingewickelt in eine Plastikhülle. Hunter wird zu dem Fall hinzugezogen, um Hinweise zur Identifizierung der Toten zu geben. Bei der Bergung der Leiche stürzt der Boden des baufälligen Gebäudes ein und enthüllt ein geheimes Krankenzimmer ohne Fenster und Türen, das auf den Plänen nicht eingezeichnet ist. In ihm finden sich zwei weitere Leichen, an ihren Betten gefesselt. Ganz offensichtlich wurden sie ledendig eingemauert. Bei ihrer Obduktion entdeckt Hunter eindeutige Folterspuren…

Klingt erstmal ganz gut, oder? Lost Places meets sadistischen Serienkiller, da geht doch was. Nur leider nicht hier.
Eigentlich bin ich ja ein großer Beckett Fan, weil mir vor allem die ersten drei Teile dieser Serie extrem gut gefallen haben. Aber schon die letzten beiden Teile fand ich deutlich schwächer und dieser letzte Band ist für mich der sprichwörtliche Satz mit x, so leid es mir tut.
Aber was soll man denn machen, wenn sich eine belanglose Szene an die andere reiht, ein nichtssagender Dialog dem nächsten folgt. Bis zur Hälfte des Buches dachte ich noch, dass geht aber schleppend los, nur nahm dieser Zustand leider kein Ende. Auf den letzten 100 Seiten konnte die Geschichte zwar ein bisschen an Fahrt aufnehmen, verpuffte aber schnell wieder an der wenig überraschenden Auflösung. Und das Ende fand ich schlichtweg ärgerlich. Warum präsentiert man dem Leser wie täglich grüßt das Murmeltier immer wieder das gleiche Motiv im neuen Gewand? Und nicht mal in einem besonders guten…
Bleibt die abschließende Frage, was ist nur mit Beckett los? Schreibflaute? Erfolgsdruck? Oder die Nachlässigkeit des Erfolgreichen? Klar kann der Autor immernoch gut schreiben und den einen oder anderen spannenden Moment hat es auch hier gegeben, aber das ist definitiv nicht der Beckett, den man kennt und den man sich wünscht.
Ich für meinen Teil hoffe auf bessere Zeiten…

Bewertung: 2.5 von 5.

Simon Beckett: Die ewigen Toten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 2019