Yrsa Sigurdardóttir: Geisterfjord

Drei junge Leute haben sich auf der verlassenen Insel Hesteyri, die nur noch in der Saison touristisch genutzt wird, ein altes Haus gekauft. Ihr Plan: es noch in den Wintermonaten zu renovieren, im Sommer als neues Gasthaus zu eröffnen und ein richtig gutes Geschäft zu machen. Ein waghalsiges Unterfangen, denn die Insel kann bei dem rauen Wetter nur an bestimmten Tagen angefahren werden und sie sind ohne Strom und Heizung auf sich allein gestellt. Und die unheimlichen Geschichten, die über das alte Haus kursieren, sind alles andere als einladend…

Das Buch klang für mich auf den ersten Blick so vielversprechend, dass ich es mir kürzlich gekauft und direkt gelesen habe. Unheimliche Geschichten von einer verlassenen isländischen Insel, an einem kalten Winterabend bei Kerzenschein, das könnte doch richtig gemütlich sein. Theoretisch.
Denn wenn man mal genauer drüber nachdenkt, ist es schon reichlich hirnverbrannt, auf einer einsamen Insel im Winter ohne Strom ein altes Haus restaurieren zu wollen – vor allem, wenn man handwerklich keinen blassen Schimmer hat und der nächste Obi denkbar weit weg ist. Aber ok, beide Augen zugedrückt, man braucht das Szenario für die gruselige Story. Die von der Anlage her auch jede Menge Potential für eine wirklich unheimliche Geschichte gehabt hätte. Nur leider hatte ich hier das Gefühl, dass die Autorin sämtliche Elemente gruseliger Geschichten, von denen sie jemals gehört hat, in dieses Buch einbauen wollte und zwar mit der Holzhammermethode. Das wurde einem derart plump ab Kapitel eins in kurzen Abständen serviert, dass ich es beim besten Willen nicht gruselig fand. Alle Elemente für sich, langsam aufgebaut und entwickelt, hätten es sein können, aber das war schriftstellerisch gar nicht gelungen. Stephen King beherrscht diese Kunst meisterhaft, weswegen seine Bücher auch doppelt bis dreifach so dick sind, aber danach schließt man die Tür ab und schaut unters Bett. In diesem Fall hätte sich die Autorin auch die zahlreichen Wiederholungen gespart.

Ich hab nicht mitgezählt, wie oft der Boden in der Küche geknarrt oder der Hund geknurrt hat, aber es war schon sehr oft. Dazu gab es bereits im ersten Drittel des Buches Szenen, bei denen ich nur mit dem Kopf schütteln konnte, so komplett unwahrscheinlich war das. Und damit meine ich nicht die übersinnlichen Phänomene, sondern das komplett irrationale Verhalten einzelner Leute. Niemand vergisst einfach so, dass er nachts Stimmen aus der Küche gehört hat. Vor allem, wenn man sowieso vermutet, dass auf der Insel jemand rumschleicht. Da weckt man doch seine Freunde und fragt, ob sie auch was hören, man schaut gemeinsam nach, was weiß ich. Hier wird weitergepennt und erstmal vergessen… Dann geht der Nächste in einer schon reichlich verängstigten Stimmung alleine los, um erstmal Bier zu holen – ich könnte noch länger so weitermachen. Daher abschließend die Frage, warum hab ich überhaupt weitergelesen? Ich habe gehofft, es wird besser. Und dann war ich neugierig, wie die Geschichte aufgelöst wird. Hat sich für mich leider gar nicht gelohnt, da am Ball zu bleiben, aber das ist wie alles Geschmackssache.

Allerdings hat mich ein Punkt wirklich aufgeregt. Wenn man meint, man müsste für die Steigerung der Dramatik das Thema Diabetes und Insulinmangel einbauen, der kann das ja machen. Aber man sollte sich doch zumindest die Mühe machen, die medizinischen Zusammenhänge zu recherchieren. Hier war so vieles falsch, dass es mich wirklich geärgert hat.

Bewertung: 1.5 von 5.

Yrsa Siguradardóttir: Geisterfjord. Frankfurt/M.: Fischer Verlag, 2011

Dagegen die Elefanten

Im Zentrum dieses Romans steht Herr Harald und er ist so ziemlich genau das, was man unter diesem Namen vermutet: ein unauffälliger, etwas farbloser Zeitgenosse ohne Ecken und Kanten, jedoch mit jeder Menge schrulliger Eigenschaften. Passend zum Namen hat er einen langweiligen Job an der Garderobe eines Theaters. Und es wundert nicht, dass er damit ganz zufrieden zu sein scheint.
Was passiert nun, wenn dieser spezielle Charakter in einer Tasche eines hängengelassenen Mantels eine Waffe findet?

Tatsächlich hat mich das so interessiert, dass es eines der wenigen Bücher der Longlist ist, die ich mir gekauft habe. Und grundsätzlich mag ich schräge Charaktere.
Allerdings muss diese Schrägkeit auch irgendwie in Szene gesetzt sein. Entweder durch subtilen Humor, Sprachwitz oder vereinzelte Charaktereigenschaften, in denen man sich irgendwie wiederfinden kann. Leider konnte ich nichts davon in diesem Roman entdecken. Ich fand die Figur des Herrn Haralds in seiner manirierten Art einfach nur sterbenslangweilig und kein bisschen unterhaltsam. Dass liegt sicherlich daran, dass diese Figur so ziemlich das Gegenteil von mir ist und ich da gar keine Anknüpfungspunkte finden konnte.

Zusätzlich zur farblosen Figur des Herrn Harald passiert in diesem Roman zumindest in der ersten Hälfte auch nicht besonders viel. Damit habe ich grundsätzlich erstmal kein Problem, wenn der Charakter selbst interessant ist. Ist er für mich allerdings nicht.
Dazu muss man ein gutes Drittel des Buches lesen, damit der Protagonist überhaupt die bereits im Klappentext beschriebene Waffe findet – was ja eigentlich das besondere Ereignis des Buches ist und auch mein Interesse geweckt hatte.
Leider war ich nach dieser langen Anlaufzeit schon so gelangweilt, dass ich mich nicht überwinden konnte, noch weiterzulesen. Irgendwie habe ich von Herrn Harald nicht mehr so viel Neues erwartet, ob mit oder ohne Pistole.

Möglicherweise tue ich ihm damit jetzt Unrecht, aber vielleicht ist es auch einfach ganz normal, dass nicht jedes Buch zu einem passt. Das heißt aber auch, dass es für andere durchaus passend sein kann, denn dieses Buch hat auch seine Stärken und das ist die ausgefeilte Sprache, in der es verfasst ist. Für mich hatte das leider zum Weiterlesen nicht gereicht, so dass ich meine Begegnung mit Herrn Harald nach der Hälfte des Romans beendet habe.

Allerdings muss man sagen, dass es sprachlich durchaus gut ist und sicher auch mit dazu beigetragen hat, dass es auf die Longlist des Buchpreises zu kommen. Nur hat das in meinem Fall nicht gereicht.

Bewertung: 1.5 von 5.

Dagmar Leupold: Dagegen die Elefanten. Salzburg: Jung und Jung, 2022

J.P. Barker: Das Haus der bösen Kinder

Diese Reihe habe ich einer Leserunde gelesen…

Das ist nun der letzte Teil der Trilogie um Sam Porter und den Fourth Monkey Killer und wen wundert’s – auch hier gibt es wieder eine Mordserie, die Merkmale des gesuchten Serientäters trägt. Nur liegen die Tatorte so weit auseinander, dass mehr als eine Person im Spiel sein muss…

Wie schon beim ersten Teil haben wir vor allem weitergelesen, um die diversen offenen Fragen zu klären, die nach Band zwei eher noch mehr geworden sind. Denn so richtig begeistern konnten uns beide Teile nicht. Tja, man hätte es vielleicht dabei belassen sollen…
Klar gab es auch in diesem Buch eine Reihe spannender Momente, sonst hätten wir wahrscheinlich direkt nach Teil eins abgebrochen. Gerade die Tagebucheinträge waren interessant und haben einen an die Geschichte gefesselt. Und das ist auf jeden Fall ein Pluspunkt der gesamten Reihe, dass die Tagebucheinträge wirklich spannend zu lesen sind und einen zum Weiterlesen motivieren. Aber der Rest…

Hohle Charaktere und ein komplettes Storywirrwarr, in dem man auf Fährten geführt wird, die sich danach als schwer geflunkert herausstellen. Kann man mal machen, aber die ganze Zeit…
Durch dieses ständige Verwirrspiel war man als Leser irgendwann aus der Geschichte gekickt und es war einem dann fast schon egal, wie das Ganze ausgeht. Und letztlich war auch die Auflösung, auf die wir uns durch drei Bücher hingearbeitet haben, direkt ärgerlich. Da fühlt man sich als Leser einigermaßen vera…..!
Nach dem Lesen waren Janine und ich uns einig, diese Reihe hätten wir uns sparen können.

Bewertung: 1.5 von 5.

J.P. Barker: Das Haus der bösen Kinder. München: Blanvalet / Verlagsgruppe Random House, 2020

Mithu Sanyal: Identitti

Sie ist der Star der Düsseldorfer Universität: Professorin Saraswati, bekennende Person of Colour, die dort Postcolonial Studies unterrichtet. Ihre Seminare sind begehrt und spektakulär: So verweist sie schon mal alle weißen StudentInnen des Raums, um sie dann anschließend zu ihren Ausgrenzungserfahrungen zu befragen. Umso größer ist der Skandal, als sie herausstellt, dass sie in Wirklichkeit die unbestreitbar hellhäutige Deutsche Sarah Vera Thielmann aus Karlsruhe ist, die ihre vermeintlich indischen Wurzeln mit kosmetisch-chirurgischen Mitteln und einer fiktiven Vita gelegt hat. Statt sich der darauf folgenden Entrüstung zu beugen und sich ins nächste Mauseloch zu verkriechen, stellt sich die Professorin der Diskussion und der Frage: Was ist das eigentlich, die Identität?

So auch mit einer ihrer treuesten Studentinnen Nivedita, Tochter eines indischen Vaters und einer deutschen Mutter. „Was ist wenn Hautfarben, Herkünfte und Identitäten in Wahrheit niemals eindeutig sind?“

Ich muss sagen, dass ich dieses Buch spontan nicht aus den nominierten Titeln des Buchpreises ausgewählt hätte. Nun handelt es sich zwar um ein Buch zu einem aktuell viel diskutierten Thema, aber gerade deswegen wollte ich es spontan nicht lesen. Man könnte es als eine Art Reizüberflutungserscheinung bezeichnen. Nun gabe es aber so viele positive Stimmen zu diesem Buch, dass ich dachte, möglicherweise könnte es doch ein Buch für mich sein. Falsch gedacht.

Um es gleich vorab zu sagen: Ich halte dieses Buch durchaus für klug und in seiner Aussage auch richtig, aber es ging mir in seiner Art unfassbar auf die Nerven. Vielleicht bin ich dieses Modethemas gerade ein bisschen überdrüssig, aber ich mochte diese intellektuellen Diskurse rund um Gender, Identität und Co gerade nicht lesen. Vielleicht, weil gerade jeder, der etwas auf sich hält oder auch einfach nur keine negativen Schlagzeilen bekommen möchte meint, auf diesen Zug aufspringen zu müssen. Bei Mithu Sanyal ist das absolut glaubwürdig, bei vielen anderen ist es das nicht. Das hat bei mir leider einen gewissen Überdruss ausgelöst, den auch dieses Buch (vielleicht zu Unrecht) erwischt hat. Möglicherweise wäre es mir damit zu einem anderen Zeitpunkt anders gegangen. Möglicherweise aber auch nicht.

Denn auch schriftstellerisch konnte mich das Buch nicht überzeugen. Für mich war das ein unnötig aufgeblähter Diskurs mit viel zu vielen Längen, der mich beim Lesen wirklich ermüdet hat. Auch der vielgelobte Sprachwitz konnte mich da nicht aufwecken, denn ich habe ihn schlichtweg nicht entdeckt. Klar war die Sprache ausgesprochen ausgefeilt, aber für meinen Geschmack viel zu künstlich. Als würde mich der Vorsatz, das jetzt besonders gekonnt zu formulieren, direkt anspringen. Spontane Heiterkeit ist bei mir an keiner Stelle aufgekommen. Diese Künstlichkeit habe ich leider auch bei sämtlichen Charakteren empfunden, von denen mir keiner wirklich nahe gekommen ist. Abstrakte Figuren in einem anstrengenden Diskurs.

Bewertung: 1.5 von 5.

Mithu Sanyal: Identitti. München: Carl Hanser Verlag, 2021

Gert Loschütz: Besichtigung eines Unglücks

Im Zentrum dieses Roman steht ein Unfall: das schwerste Zugunglück der deutschen Geschichte im Bahnhof von Genthin 1939, bei dem zwei Züge frontal gegeneinander prallten. Es gibt zahlreiche Tote und noch mehr schwer Verletzte. Eine von ihnen ist Carla, verlobt mit dem Juden Richard aus Neuss. Doch nicht er begleitet sie auf dieser schicksalhafen Reise, sondern der Italiener Guiseppe Buonomo, der bei dem Unfall stirbt. Und als dessen Frau sich Carla kurz nach dem Unfall ausgibt…

Schon dieser kurz umrissene Inhalt war es, der mich auf dieses Buch unter den zwanzig nominierten Titeln des Buchpreises aufmerksam machte. Die historische Kulisse des Unglücks in der Zeit des Nationalsozialismus und beginnenden zweiten Weltkrieges und das Thema der Judenverfolgung war für mich sehr vielversprechend und entsprechend motiviert bin ich an das Buch herangegangen. Nur leider bekam diese positive Grundeinstellung einen derben Dämpfer.

Das gesamte erste Drittel des Buches beschäftigt sich in chronistischer Weise mit der Rekonstruktion des Unfalls in sämtlichen Details. Das mag vielleicht für Eisenbahner und ihre Fans interessant sein, bestimmt auch für ErmittlerInnen, RechtsanwältInnen oder VersicherungsbeamtInnen und den persönlich betroffenen Autor, aber sicherlich nicht für die durchschnittlichen LeserInnen. Für die ist das ausgesprochen dröge. Nun hatte ich auf die mysteriöse (Liebes)Beziehung zwischen Carla und dem Italiener gehofft, da sie in der Anlage ja das Potential für eine richtig gute Geschichte bietet. Nur leider begann sie in ähnlich trockener Schreibe als wäre sie aus Aktennotizen zum Unfallhergang zusammengeschustert. Ich habe dabei jegliche Dynamik, Spannung und Tiefgang vermisst.

Vielleicht kommt das noch im zweiten Teil des Buches, was dramaturgisch auch sehr unglücklich wäre, da man zu dem Zeitpunkt schon einen Großteil der LeserInnen abgehängt hat. Wie zum Beispiel mich.

Bewertung: 1.5 von 5.

Gerd Loschütz: Besichtigung eines Unglücks. Frankfurt amMain: Schöffling und Co, 2021

Sebastian Fitzek: Der Augenjäger

Die eine oder andere Frage, die im ersten Teil offen geblieben war, wird in diesem Band wieder aufgegriffen. So begegnen einem die bekannte Figuren, werden aber durch neu hinzukommende ergänzt. Neben der Geschichte um Alex und seinen Sohn tritt hier noch ein reichlich gestörter Augenchirurg auf, der seinen Opfern eine besondere Behandlung angedeihen lässt, um es mal vorsichtig auszudrücken…

Dieses Buch ist mal wieder ein gutes Beispiel dafür, dass man manche Dinge einfach so lassen sollte, wie sie sind. Die Geschichte um den Augensammler hatte für mich einen guten Abschluss und auch wenn einige Fragen offen geblieben waren, war das Wesentliche geklärt. Manchmal ist es auch ganz gut, wenn man sich den letzten Rest dazudenken kann. Ich hatte jedenfalls nicht das Gefühl, dass hier noch was fehlt.
Aber surprise, surprise – gibt’s halt noch Teil 2…

Und der war leider so unnötig wie nur irgendwas. In zwei Erzählssträngen überschlägt sich die Story in Aktionismus und unverständlichen Andeutungen, die den Leser wahlweise Stirnrunzeln oder mit dem Kopf schütteln lassen. Ein bisschen Rätselraten ist ja ganz schön, aber wenn man mit offenen Fragen zugeschüttet wird und man gefühlt von einem Plottwist in den anderen stolpert, ist man eher verwirrt als gut unterhalten. Ein bisschen sollte man den Leser auf seine Reise schon mitnehmen.
Natürlich löst sich auch hier das Ganze am Ende auf und wird einigermaßen verständlich, ist aber weit entfernt von einem guten Aha-Erlebnis. Für mich war die Geschichte völlig überkonstruiert und in jeder Beziehung too much, inklusive der unnötig grausamen Geschichte rund um den Augenchirurgen.
Kurz zusammengefasst hätte es für mich diesen zweiten Teil wirklich nicht gebraucht, was schade ist. Der Augensammler hatte mir gut gefallen…

Bewertung: 1.5 von 5.

Sebastian Fitzek: Der Augenjäger. München: Droemer Knaur Verlag, 2011

Bernhard Aichner: Dunkelkammer

Ein Obdachloser findet auf der Suche nach einem Unterschlupf in einem leerstehenden Apartment eine mumifizierte Leiche. Statt der Polizei benachrichtigt er seinen alten Weggefährten Bronski, Pressefotograf mit einer Vorliebe für die Dokumentation von Todesfällen. Mit an seiner Seite die Journalistin Svenja Spielmann und seine Schwester, ihres Zeichens Privatdetektivin. Denn die mysteriöse Tote hat mehr mit Bronskis Vergangenheit zu tun als ihm lieb ist…

Vorab muss ich sagen, dass mir mein erster Aichner ‚Bösland‘ wirklich gut gefallen hat. Der hatte eine gut durchdachte Story mit viel Tiefgang, die Charaktere waren sauber herausgearbeitet und glaubwürdig, das war eine spannende und runde Sache. Leider konnte ich davon im aktuellen Buch nicht so viel wiederfinden.
Gut gefallen hat mir der dynamische Schreibstil, den man schon aus Bösland kennt, mit vielen Perspektivwechseln und eingeschobenen Dialogen.
Aber alles andere war für mich wirklich enttäuschend, ich muss das leider so klar sagen.
Bereits zu Beginn der Buches trifft man auf Geschehnisse, die zwar theoretisch möglich, aber wenig wahrscheinlich sind. Das könnte man noch verkraften, wenn es sich um einen kleinen Ausrutscher handelt, nur leider ziehen sich die Ungereimtheiten und kruden Zufälle durch das gesamte Buch.
Zu allem Überfluss können die Charaktere die inhaltlichen Mängel der Story auch nicht wettmachen, eher im Gegenteil. Ich glaube, ein ähnlich irrationales und sprunghaftes Verhalten habe ich das letzte Mal auf dem Pausenhof in der 8. Klasse erlebt.
Und auch handwerklich waren da für mich einige Patzer drin. Wenn man schon einen Wechsel von Text- und Dialogpassagen hat, warum wählt man dann bei einer Schlägerei einen Dialog? Das hätte mit den ganzen Schmerzensausrufen besser in einen Comic gepasst, aber nicht in einen ernstzunehmenden Krimi.
Und den würde ich mir wieder von ihm wünschen.

Bewertung: 1.5 von 5.

Bernhard Aichner: Dunkelkammer. München: btb Verlag, 2021

Verena Güntner: Power

Obwohl noch ein junges Mädchen, hat Kerze sich bereits den Ruf erworben, Verlorenes wiederzufinden und dabei einen unbeugsamen Willen an den Tag zu legen. Und so kommt es, dass sie von ihrer alten Nachbarin beauftragt wird, ihren verschwundenen Hund Power wiederzufinden. Kerze nimmt sich der Aufgabe mit vollem Eifer an und beginnt zur besseren Einfühlung in das Tier zu bellen und zu knurren und folgt seiner Fährte in den Wald. Schon bald schließen sich die Kinder des Dorfes der Suche an und beschließen, im Wald zu bleiben, bis das Tier gefunden ist…

Klingt doch erstmal gut und nach den ganzen positiven Rezis hier kann man eigentlich nichts falsch machen, dachte ich. Vor dem Lesen.

Nach dem Lesen muss ich leider feststellen, dass das nicht mein Buch ist.
Klar muss man sich auf dieses Buch einlassen, denn das Verhalten der Kinder ist ins Extreme übersteigt. Auch spielt die Autorin mit übersinnlichen Elementen, beispielsweise wenn abends die Geister an Kerzes Bett treten. Mich hat vieles an den Rattenfänger von Hameln erinnert, ein bisschen Sage ist also auch mit dabei.
Das Ganze soll gesellschaftskritisch sein und ist es wohl auch, nur hat sie mich in dieser Form überhaupt nicht erreicht.
Das lag vielleicht auch daran, dass mir hier jegliche Sympathieträger fehlten. Normalerweise hab ich ja eine Schwäche für starke, eigenwillige und auch etwas verschrobene Frauenfiguren, aber mit dieser Kerze bin ich gar nicht warm geworden.
Wie schon der plakative Name der Protagonistin war mir hier alles zu dick aufgetragen und hätte für mich in subtileren Tönen besser funktioniert.

So schwimme ich hier mal gegen den Strom der begeisterten Rezis und habe zur Abwechslung mal kein schlechtes Gewissen. Bei so vielen Fans.

Bewertung: 1.5 von 5.

Verena Güntner: Power. Köln. Dumont, 2020

Marc Raabe: Zimmer 19

Den Auftakt des Thrillers bildet ein Snuffvideo, der zum Entsetzen der Zuschauer auf der Eröffnungsfeier der Berlinale gezeigt wird. Das Opfer: die Tochter des Bürgermeisters. Im Zuge der Ermittlung dringen Tom und sein Team nicht nur weiter in die geheimen Verstrickungen des ersten Teils vor, sondern auch in Sitas dunkle Vergangenheit…

Also, Band 1 fand ich ja ganz spannend und atmosphärisch ansprechend, auch wenn es da schon einige Kritikpunkte gab. Das Verhältnis hat sich hier direkt umgedreht. Spannung und Atmosphäre habe ich hier komplett vermisst, dafür gab es jede Menge Stoff zum Augenrollen, der mich mal zu ganz grundsätzlichen Worten herausfordert.

Ich lese ja neben ernsthafter Literatur ganz gerne mal einen Thriller, um mein Hirn zu entspannen. Aber so ein bisschen Niveau sollte es schon haben.
Will heißen, dass man sich bei der Entwicklung der Geschichte und der Figuren schon Mühe geben sollte. Das braucht schon eine gewisse Tiefe und schriftstellerisches Handwerk, um einen guten Thriller zu schreiben. Ansonsten kommt das raus, was ich leider in letzter Zeit immer häufiger gelesen habe: Thriller Fastfood.
Alles schlittert an der Oberfläche lang, die Charaktere sind flach und weil dem ganzen die Substanz fehlt, wird ein Feuerwerk an überkonstruierten und unrealistischen Ereignissen und Plottwists abgeschossen, das den Leser nur noch abhängt. Vor allem in amerikanischen Thrillern füllt man dieses Story-Vakuum gerne mal mit völlig übertriebenen und sinnlosen Gewaltexzessen, als würde es die Geschichte besser machen, wenn auf jeder zweiten Seite jemand gefoltert und gevierteilt wird.
Für ein gutes Essen wählt man doch auch hochwertige Zutaten und nimmt sich viel Zeit für die Zubereitung. Warum nicht das Gleiche beim Schreiben von Büchern?

Was mir schon beim ersten Teil übel aufgestoßen ist, nämlich einige der offenen Fragen nicht aufzulösen, sondern in den nächsten Teil mitzunehmen, gibt es leider auch hier. Ich will ja nicht spoilern, aber wer darauf gehofft hat, dass sich die Rätsel hier lösen…nun ja…

Bewertung: 1.5 von 5.

Marc Raabe: Zimmer 19. Berlin: Ullstein Verlag, 2019

Sara Gran: Die Stadt der Toten

Schauplatz dieses Krimis ist New Orleans, nachdem der Hurrikan die Stadt verwüstet hat. Die Detektivin Claire DeWitt, im Klappentext als beste und verrückteste Ermittlerin der Welt beschrieben, soll in dieser Situation den verschollenen Staatsanwalt Vic Willing finden.

Dieses Buch wurde mir vor etlichen Jahren wärmstens empfohlen, so dass ich mich voller Vorfreude ans Lesen gemacht habe. Spätestens nachdem bis zur Hälfte wenig Spannendes passiert ist, war ich einigermaßen ernüchtert. Ich fand den Fall alles andere als fesselnd und die Ermittlungsarbeit zog sich wie ein Kaugummi durch das Buch. Auch mit dem Setting im Drogenmilieu konnte ich wenig anfangen. Da konnte auch die an Sherlock Holmes angelehnte schräge Ermittlerin Claire DeWitt nichts mehr ausrichten. Für mich war das eher ein müder Abklatsch und konnte in keiner Hinsicht an das berühmte Original heranreichen. Ob das mal taktisch klug ist, die Messlatte gleich so hoch zu hängen…ich zitiere den Untertitel: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt.
Schafft auf jeden Fall eine hohe Leseerwartung. Und eine ebenso große Enttäuschung, wenn diese so wenig bedient wird.

Bewertung: 1.5 von 5.

Sara Gran: Die Stadt der Toten. München: Droemer Verlag, 2012 (amerikanisches Original 2011)