Ivar Leon Menger: Als das Böse kam



Klassischer Fall von Buchhypekauf. Eigentlich bin ich dafür nicht so anfällig, aber der Klappentext klang erstmal ganz spannend. Eine Familie lebt in völliger Abgeschiedenheit auf einer einsamen Insel. Sie sind auf der Flucht vor noch ungenannten Widersachern, die ihnen nach dem Leben trachten. Allerdings hätte mir die Titelwahl schon verdächtig vorkommen müssen…

Mich beruhigt, dass das Buch so viele Fans hat. Dann ist es sicher nicht schlimm, dass ich nicht dazu gehöre.
Zur Aufklärung, wer da von wem verfolgt wird und warum, werden den Leser:innen gleich drei Varianten in Folge angeboten. Warum das so ist, wird im Rahmen der Story zwar erklärt, jede der angebotenen Varianten ist aber so substanzlos, dass jeder mein vollstes Verständnis hat, der das Buch nach diesem Anfangswirrwar direkt beiseite gelegt hat. Bereits hier begegnet einem das Phänomen, dass sich bis zum Ende durchzieht – das Ganze macht überhaupt keinen Sinn, sobald man auch nur ansatzweise darüber nachdenkt, was man da gerade liest. Den Logikfehlern im Großen folgen leider auch viele im Kleinen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein Buch gelesen zu haben, in dem sich wirklich alle Protagonisten so irrational und – ja man muss schon sagen – dämlich verhalten. Luca wird wahrscheinlich als dümmster Interpol-Mitarbeiter in die Thriller-Geschichte eingehen. Ebenso wie der Autor als Entdecker eines neuartigen medizinischen Phänomens, des zuckenden Fingers. Klärt mich bitte auf, falls es doch biologisch möglich ist oder irgendwo beobachtet wurde, dass beim Lügen ein Finger beginnt unkontrolliert zu zucken.
Ich kann generell sehr gut damit leben, wenn in Geschichten auch Dinge vorkommen, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Aber das muss in das Genre eingebettet sein, beispielsweise bei Fantasy oder Romanen, die mit übersinnlichen Phänomenen arbeiten. Aber wenn man eine Story in der realen Welt ansiedelt, müssen die Dinge nach den Gesetzmäßigkeiten dieser Welt schon irgendwie Sinn machen man. Ansonsten fühlt man sich als Leser:in schnell für dumm verkauft.

Ein Höhepunkt der besonderen Art war für mich der Showdown am Ende, bei dem sich sämtliche Beteiligte so irrational und unfreiwillig komisch verhalten, dass ich das Ganze beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen konnte. Das war mehr Slapstick als Thriller. Verschiedentlich wurde zu dem Buch kommentiert, dass die Genrebezeichnung irreführend ist und von der Einfachheit des Stils eher einem Jugendbuch entspricht. Nun kenne ich mich bei Jugendbüchern nicht so aus. Allerdings sind Charaktere und Dialoge derart flach und hölzern, dass es nur schwer auszuhalten war.

Bewertung: 1 von 5.

Ivar Leon Menger: Als das Böse kam. München: dtv, 2022

Thomas Kunst: Zandschower Klinken

Nachdem sein Hund gestorben ist, packt Bengt Claasen seine ganzes Hab und Gut in den Kofferraum und beschließ,t ein neues Leben zu beginnen. Auf dem Armaturenbrett das Halsband seines Hundes, beschließt er sich in dem Ort niederzulassen, an dem es runterfällt. Das ist nun gerade das etwas verschrobene Zandschow im äußersten Norden des Landes…

Klingt ja erstmal gar nicht so uninteressant und von der Ausgangssituation zumindest reizvoll. Aber dieses Buch ist so wenig meins, dass ich es nach dem ersten Viertel auch direkt wieder beende mit der Frage: Was soll das sein? Eine neue Variante der Känguru-Chroniken (nur sehr viel schlechter)?
Hier wird einem auf dem Einband ein Roman mit viel Witz angekündigt, ich frage mich nur gerade, für welche Altersgruppe…
Mir hat sich der Witz eines Rehs, das in die Karibik fährt und dort einen Taxischein macht, jedenfalls nicht erschlossen. Auch lösen die Überlegungen des Inhabers von ‚Getränke Wolf‘, seine Hilfskräfte durch Ratten zu ersetzen, weil sie resistenter gegen Asbest sind, bei mir eher Stirnrunzeln als Anfälle von Heiterkeit aus.

Leider hat man als LeserIn hier nicht nur mit diesem stark gewöhnungsbedürftigen Humor zu kämpfen, sondern mit einer permanenten Wiederholung von Sätzen oder Abschnitten. Ich weiß nicht, wie oft ich gelesen habe, dass das Taxi weiß ist. Vielleicht dient es der Absicherung des Inhalts, falls man zwischendurch weggenickt ist…eine Methode, mit wenig Inhalt viele Seiten zu füllen, ist es allemal.
Nun wird es sicher diverse LiteraturkritikerInnen geben, die hier große Kunst sehen – anarchistische gar, wie der Klappentext verkündet. Auch wird die Redundanz wahrscheinlich ein ganz pfiffiges Stilmittel sein. Irgendwie muss es dieses Buch ja auf die Shortlist geschafft haben…
Nur leider suche ich hier sämtliche Kriterien eines guten Buches vergebens. Aber manche Dinge halten sich wohl geschickt verborgen. Eins sollte ein Buch aber auf keinem Fall: mir auf die Nerven gehen.

Bewertung: 1 von 5.

Thomas Kunst: Zandschower Klinken. Berlin: Suhrkamp Verlag, 2021

Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex

Vernon, einst erfolgreicher Plattenladenbesitzer und vernetzt in der lokalen Musikszene, steht vor den Scherben seiner Existenz. Nacheinander verliert er Laden, Job und Wohnung. Auf der Suche nach einer vorübergehenden Bleibe aktiviert er seine alten Facebook-Kontakte, die ihre besten Jahre ebenfalls hinter sich haben…

Man kann nicht sagen, dass das Thema kein Potential hat. Es hätte tatsächlich so gut sein können. Aber bitte…was war das…
Das scheint ja in Frankreich seit Houllebecq in Mode gekommen zu sein, auch das letzte verquere Gedankengut als Kunst zu stilisieren. Hier beispielsweise als „großartiges Sittengemälde einer zutiefst verunsicherten Gesellschaft.
Mag sein, dass hier ein Spiegel vorgehalten werden soll, aber da kann ich auch bei der nächsten Skatrunde der AfD vorbeischauen, das muss ich nicht lesen. Denn was einem da an rassistischen, frauenfeindlichen und homophoben Ergüssen zugemutet wird, ist nur schwer zu ertragen. Wenn das gesellschaftskritisch sein soll, habe ich eindeutig den positiven Gegenspieler verpasst. Fällt der weg, bleibt da nämlich nur eine Ansammlung von Verbalshit der übelsten Sorte.
So ereifert sich ein Freund Vernons über eine Journalistin als „Kanackenjüdin“ und äußerst in dem Zusammenhang, „ich würde das ganze Gebiet mit Napalm zukippen, Palästina, Libanon, Israel, Iran, Irak, alles dasselbe: Napalm.
Vernon räumt ein, sein Freund war schon immer ein rechter Sack. Er mag die Journalistin, weil… Zitat: „Man sieht, dass die Kleine auf Sex steht.“ Das hält man doch im Kopp nicht aus!
Das ist übrigens Hauptfunktion der Frauen in diesem Roman. Gefühlt sind sie 24/7 unterwegs, um den Männern einen zu blasen.
Wenn man dann noch die Gedanken einer alternden Pornodarstellerin zur Standhaftigkeit der männlichen Darsteller serviert bekommt, ist es an der Zeit, dieses Buch (vorzeitig) zu beenden.

Hinterher hab ich mich gefragt, warum ich nicht schon viel früher abgebrochen habe und nicht erst nach der Hälfte des Buches. Vielleicht habe ich gehofft, dass einige der unsäglichen Protagonisten der Schlag trifft… Aber es war ein Geschenk und ich wollte es wenigstens versucht haben. Fazit: Wenn das literarische Kunst ist, bin ich raus.

Bewertung: 1 von 5.

Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2017

Taylor Adams: No Mercy

Ein junges Paar bleibt auf dem Weg durch die Wüste mit dem Auto liegen, ohne Handyempfang und mit nur noch einer Flasche Wasser. Und zu ihrem Entsetzen entpuppt sich die vermeintliche Autopanne als gezieltes Manöver eines Scharfschützen, der sie bereits ins Visier genommen hat…

Das Szenario des Highwaykillers ist wahrlich nicht neu, aber kann man machen, wenn man das Ganze gut aufbereitet und vielleicht auch noch etwas Neues reinbringt. Aber was hier mit dem an sich spannend klingenden Stoff veranstaltet wurde…

Für meinen Geschmack stimmt hier so ziemlich gar nichts. Nicht nur ist die Story inhaltlich extrem dünn und…man muss ja ein Buch vollkriegen… mit viel überflüssigem Brimborium aufgebläht, auch die Charaktere sind gleichermaßen flach und entsprechen jedem nur denkbaren Klischee. Und wenn das noch nicht genug wäre, wird hier eine Ansammlung an Absurditäten aufgetafelt, dass man aus dem Augenrollen gar nicht mehr rauskommt.
Beispiel gefällig? Unser Opfer schmuggelt sich unter dem Jeep eines Komplizen des Killers zu einer kleinen Blechhütte. Das funktioniert natürlich 1a auch in unwegsamem Gelände, ohne dass er unterwegs den Halt verliert oder der Rücken eine Fleischmasse ist. Wohlgemerkt, er ist in der Wüste und hat den halben Tag nichts getrunken. Nun geht Killer Nr 2 in die Hütte und statt sich zu freuen, unentdeckt geblieben zu sein, tätigt er erstmal ein ausgiebiges Pläuschchen übers Funkgerät, das auch noch der hinterletzte Coyote in einem Kilometer Entfernung mitkriegen muss…
Und das ist nur eine von vielen Szenen, die so unrealistisch sind, dass man das Buch auch beim bestem Willen nicht mehr ernst nehmen kann.

Sprachlich hat man hier auch eine schwere Kröte zu schlucken. Nun ist bei einem Thriller nicht unbedingt hohe Sprachkunst zu erwarten, aber einen halbwegs bewussten Umgang mit Sprache schon. Aber wer so unsensibel mit Nazi- und Ausschwitzvergleichen um sich wirft, gehört eigentlich schon vom Lektorat abgewatscht.

Ich gehe ja selten mit einem Buch völlig ins Gericht, aber wenn ich als Leser so dermaßen für dumm verkauft werde wie in diesem Fall, braucht es ein paar offene Worte.
Nun ist ja der Autor eigentlich Filmregisseur und da mag sowas funktionieren, aber für Bücher braucht man schon ein Mindestmaß an Niveau.

Bewertung: 1 von 5.

Taylor Adams: No Mercy. München: Heyne, 2021

Michel Houellebecq: Serotonin


Florent-Claude ist mit sich und der Welt unzufrieden, angefangen von seinem als schwuchtelig empfunden Namen, dass er im Hotelzimmer nicht rauchen darf, mit den umweltbewussten Pariser ‚Bobos‘, die ihm seinen alten Dieselmercedes verbieten wollen und insbesondere seiner Freundin Yuzu, die es auch schon mal mit mehreren Männern gleichzeitig oder Dobermännern treibt. Letzteres findet er dann doch zu eklig, verwirft aber den Plan, sie einfach aus dem Fenster zu schmeißen und beschließt, unterzutauchen. Er kündigt seinen Job, mietet sich in einem Hotel ein und leidet weiter an sich und der Welt, begleitet vom Antidepressivum Captorix, das helfen soll, Serotonin auszuschütten, dem Botenstoff im Gehirn, der zu innerer Gelassenheit und Zufriedenheit führt.

Eine überdurchschnittliche Portion Serotonin ist bei diesem Buch auch nötig, denn was man da an rassistischem, frauenfeindlichem oder einfach nur dummem Geschwätz ertragen muss, ist wirklich kaum auszuhalten. Und es ist mir an der Stelle auch egal, ob man die Ausführungen des Protagonisten jetzt mit Houellebecqs Ansichten gleichsetzten kann oder nicht, ich will solche rechtslastigen Parolen weder hören noch lesen. Auch möchte ich nicht über Frauen wahlweise als fettärschige oder geile Schlampen lesen oder über die Vorteile einer Verbindung mit einer devoten Osteuropäerin: „Sie steht um fünf morgens zum Melken auf, danach weckt sie dich mit einem Blowjob und das Frühstück ist auch schon fertig.

Sorry, aber sowas braucht kein Mensch. Auch nicht von Houellebecq.

Bewertung: 1 von 5.

Michel Houellebecq: Serotonin. Köln: DuMont Buchverlag, 2019