
„Mein Leben ist es wert, erzählt zu werden, was weniger an meinen tugendhaften als meinen sündigen Taten liegt, von denen Du viele nicht ahnst. Hier erzähle ich Dir von ihnen. Du wirst sehen, mein Leben ist ein Roman.“
Und das ist es. Ein hundertjähriges Leben, das die Protagonistin Violeta in einem Brief vor ihrem Enkel am Ende ihres langen Weges ausbreitet.
Eine große Pandemie, die Spanische Grippe, steht am Beginn ihres Lebens und eine weitere wird hundert Jahre später an dessen Ende stehen. Zwischen diesen Eckpunkten bewegt sich die selbstbewusste Violeta, die nicht gewillt ist, sich mit einem Dasein als Hausfrau und Mutter abzugeben. Ebensowenig wie mit den überholten Konventionen, aber auch bedenklichen politischen Entwicklungen in dem nicht näher benannten lateinamerikanischen Land, in dem man unschwer Allendes chilenische Heimat erkennt.
In Rezensionen zu ihrem neusten Roman wurde ihr vorgeworfen, dass sie darin wenig Neues hervorgebracht hat – vielmehr Altbekanntes in routinierter Weise abspult.
Tatsächlich begegnet einem einiges, das man aus dem ‚Geisterhaus‘ oder ‚Fortunas Tochter‘ schon kennt. Groß angelegte Familiengeschichten, unbeugsame Frauenfiguren, Motive des magischen Realismus und die politischen Umbrüche ihres Heimatlandes sind ihre wiederkehrenden Themen.
Trotzdem gelingt es ihr, aus diesen Elementen ganz wunderbare Geschichten zu weben, die einen immer wieder aufs Neue faszinieren.
Wir waren uns in unserer Leserunde einig, dass Allendes Art des Erzählens einen großen Wiedererkennungswert hat und diese so typische Erzählweise gefällt mir sehr. Sie lässt einen sofort in die Geschichte eintauchen und das Schicksal der porträtierten Familien über die Jahrzehnte mit Spannung verfolgen.
Auch wenn ich das ‚Geisterhaus‘ und ‚Fortunas Tochter‘ noch etwas stärker fand, konnte mich auch Allendes aktueller Roman auf ganzer Linie begeistern und gerade das Ende hat mich zu Tränen gerührt. Einfach ein schönes Buch, innen wie außen.
Isabel Allende: Violeta. Berlin: Suhrkamp Verlag, 2022