Mariana Leky: Erste Hilfe

Wer ein Fan von ‚Was man von hier aus sehen kann‘ ist, wird auch dieses Buch lieben, denn auch hier begegnet einem ein einigermaßen skurriles Figurenensemble. Angefangen von der Ich-Erzählerin, die in einem Kleintierladen arbeitet, statt ihre Magisterarbeit zu schreiben und mit dem Frauenschwarm Sylvester zusammenlebt, der sich überwiegend vor seinen Verehrerinnen verleugnen lässt. Beide stehen plötzlich vor der Aufgabe, sich um Matilda zu kümmern – eine Stammkundin des Kleintierladens. Sie möchte bei ihnen einziehen, weil sie Angst hat, den Verstand zu verlieren…

Ich habe ja schon ‚Was man von hier aus sehen kann‘ ausgesprochen gerne gelesen und dieser Debütroman kann hier nahtlos anknüpfen. Vielleicht hat er nicht ganz die tiefen melancholischen Momente, aber viele gute Elemente des späteren Erfolgsromans findet man bereits in diesem Erstlingswerk. Allem voran die absolut liebenswert-schrägen Figuren, die man sofort ins Herz geschlossen hat und deren Eigenarten man mit Spannung verfolgt. Gepaart mit einem lockeren Erzählton voller Situationskomik, der einen beim Lesen immer wieder schmunzeln lassen. Es war mir eine absolute Freude dieses Buch zu lesen. Gerne mehr davon.

Bewertung: 4.5 von 5.

Mariana Leky: Erste Hilfe. Köln: Dumont Buchverlag, 2004

Mary Beth Keane: Wenn du mich heute wieder fragen würdest

Zwei Kollegen, zwei Familien, die Tür an Tür wohnen. Auch ihre Kinder Kate und Peter sind im gleichen Alter und gern zusammen. Das Leben in dieser beschaulichen New Yorker Vorstadt könnte so idyllisch sein, wäre da nicht Anne, die eine der beiden Frauen, die sich zunehmend seltsam benimmt.
Ihre psychischen Probleme spitzen sich zu und verändern das Leben beider Familien nachhaltig…

Mit diesem Buch hatte ich ja schon länger geliebäugelt und völlig zu Recht, wie ich jetzt feststellen konnte. Es ist eine ganz wunderbar geschriebene Geschichte über Tragödien, die das Leben manchmal so mit sich bringt, wenn vielleicht auch nicht in dieser ausgeprägten Form. Es zeigt die verschiedenen Wege, mit Schicksalschlägen umzugehen und gibt neben all der Tragik aber auch Mut, nicht aufzugeben.
Auch wenn ich mich mit keiner der Figuren wirklich identifizieren konnte, sind mir alle auf ihre Art nahe gekommen und das ist der schriftstellerischen Kunst der Autorin zu verdanken, die ihre Charaktere so authentisch entworfen hat.
Extrem gut beschrieben sind die psychotischen Zustände von Anne, sehr gut beobachtet und hochdramatisch.
Dadurch bekommt der erste Teil des Buches eine ungeheure Wucht, die ich im zweiten Teil ein bisschen vermisst habe. Der ist auch weiterhin gut, aber nicht mehr ganz so kraftvoll. Auch das Ende hätte ich mir etwas anders gewünscht. Das wäre für mich anders stimmiger gewesen, obwohl es auch in dieser Form eine runde Sache ist. Aber ich will nicht spoilern und kann dazu an dieser Stelle nicht mehr sagen, außer abschließend eine ausdrückliche Leseempfehlung auszusprechen!

Bewertung: 4 von 5.

Mary Beth Keane: Wenn du mich heute wieder fragen würdest. München: Eisele Verlag, 2020 (Original 2019)

Marc Raabe: Zimmer 19

Den Auftakt des Thrillers bildet ein Snuffvideo, der zum Entsetzen der Zuschauer auf der Eröffnungsfeier der Berlinale gezeigt wird. Das Opfer: die Tochter des Bürgermeisters. Im Zuge der Ermittlung dringen Tom und sein Team nicht nur weiter in die geheimen Verstrickungen des ersten Teils vor, sondern auch in Sitas dunkle Vergangenheit…

Also, Band 1 fand ich ja ganz spannend und atmosphärisch ansprechend, auch wenn es da schon einige Kritikpunkte gab. Das Verhältnis hat sich hier direkt umgedreht. Spannung und Atmosphäre habe ich hier komplett vermisst, dafür gab es jede Menge Stoff zum Augenrollen, der mich mal zu ganz grundsätzlichen Worten herausfordert.

Ich lese ja neben ernsthafter Literatur ganz gerne mal einen Thriller, um mein Hirn zu entspannen. Aber so ein bisschen Niveau sollte es schon haben.
Will heißen, dass man sich bei der Entwicklung der Geschichte und der Figuren schon Mühe geben sollte. Das braucht schon eine gewisse Tiefe und schriftstellerisches Handwerk, um einen guten Thriller zu schreiben. Ansonsten kommt das raus, was ich leider in letzter Zeit immer häufiger gelesen habe: Thriller Fastfood.
Alles schlittert an der Oberfläche lang, die Charaktere sind flach und weil dem ganzen die Substanz fehlt, wird ein Feuerwerk an überkonstruierten und unrealistischen Ereignissen und Plottwists abgeschossen, das den Leser nur noch abhängt. Vor allem in amerikanischen Thrillern füllt man dieses Story-Vakuum gerne mal mit völlig übertriebenen und sinnlosen Gewaltexzessen, als würde es die Geschichte besser machen, wenn auf jeder zweiten Seite jemand gefoltert und gevierteilt wird.
Für ein gutes Essen wählt man doch auch hochwertige Zutaten und nimmt sich viel Zeit für die Zubereitung. Warum nicht das Gleiche beim Schreiben von Büchern?

Was mir schon beim ersten Teil übel aufgestoßen ist, nämlich einige der offenen Fragen nicht aufzulösen, sondern in den nächsten Teil mitzunehmen, gibt es leider auch hier. Ich will ja nicht spoilern, aber wer darauf gehofft hat, dass sich die Rätsel hier lösen…nun ja…

Bewertung: 1.5 von 5.

Marc Raabe: Zimmer 19. Berlin: Ullstein Verlag, 2019

Young-Ha Kim: Aufzeichnungen eines Serienmörders

Byongsu Kim ist mittlerweile 70 und nicht nur pensionierter Tierarzt, sondern auch ‚Serienmörder im Ruhestand‘. Der bisher als Mörder unerkannt gebliebene Rentner möchte fortan nur noch Klassiker lesen und Gedichte schreiben. Doch dann begegnet er zufällig einem Mann, den er als seinesgleichen identifiziert und den er verdächtigt, es auf seine Tochter abgesehen zu haben. Er beschließt seinen letzten Mord.
Doch der Plan, den vermeintlichen Serienmörder außer Gefecht zu setzen, erweist sich als schwierig, denn Kim kämpft mit einer fortschreitenden Demenz und gegen die Zeit.
Er muss seiner Tochter beschützen, bevor alles in Vergessenheit gerät…

Ich liebe ja skurrile Geschichten und das ist auf jeden Fall mal eine 😅 also schon mal die volle Punktzahl in der Kategorie außergewöhnliche Themenwahl.
Untermauert wird diese etwas abseitige Thematik durch den unschuldig-trockenen Berichsstil des Ich-Erzählers, als würde er über ein x-beliebiges Hobby berichten, was zugegebenermaßen gesellschaftlich nicht so ganz anerkannt ist.

Man liest hier also in knapper und sehr prägnanter Form die Aufzeichnungen eines Serienmörders gegen das Vergessen und wird dabei direkt selbst in die Gehirnwirrnis hineingezogen, denn nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint.

Mich hat dieses schmale Büchlein bestens unterhalten – einmal angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören. Ein sehr stimmiges Zusammenspiel von Form und Inhalt, für das ich eine ganz klare Leseempfehlung aussprechen kann!

Bewertung: 4.5 von 5.

Young-Ha Kim: Aufzeichnungen eines Serienmörders. Bad Berka: Cass Verlag, 2020

O. Henry: Das Geschenk der Weisen

Della überlegt sich am letzten Tag vor Weihachten, was sie ihrem Liebsten für einen Dollar und 87 Cent eine Freude machen kann und hat endlich eine Idee. Doch auch ihr Mann schmiedet Weihnachtspläne…

Sie ist ganz kurz, aber von großer Aussage. Denn es geht hier um den Wunsch, dem anderen zu diesem besonderen Tag eine Freude zu machen. Und dass es dabei um Dinge geht, die man mit Geld nicht kaufen kann. Genau das macht für mich dieses kleine Büchlein so besonders: dass man sich jenseits des Konsumwahns zum Weihnachtsfest auf das Wesentliche besinnen sollte. Es geht um die Freude, einander zu haben und zusammen zu sein.

Noch dazu ist dieses kleine Büchlein ganz wundervoll illustriert von Ulrich Möltgen, was allein es schon wert ist, sich diese Ausgabe der Insel-Bücherei zuzulegen.

Bewertung: 4 von 5.

O. Henry: Das Geschenk der Weisen. Berlin: Insel Verlag, 2018

Andreas Winkelmann: Der Fahrer

Sie sind schön, jung und inszenieren ihr Leben in den sozialen Netzwerken. Freizügige und aufwändig bearbeitete Selfies garantieren viele Follower.
Sie sind die Opfer des Serientäters, der in Hamburg sein Unwesen treibt. Er entführt die Frauen und postet ihr ‚wahres Selbst‘ auf Instagram, gefesselt und geprügelt, ohne Filter. Und setzt darin der Polizei ein Ultimatum, das Opfer innerhalb von 24 Stunden zu finden oder verantwortlich zu sein für ihren Tod.

Thematisch finde ich das Buch sehr gelungen, gerade in Bezug zur Scheinwelt der sozialen Medien und wie der Täter sie einsetzt, um die Polizei in ein Katz-und-Maus-Spiel zu verwickeln. Das verspricht Spannung auf hohem Niveau.
Auch den Modus Operandi finde ich originell, das gibt der ganzen Story viel Dynamik. Über weite Strecken fand ich es auch spannend zu lesen, aber… wie soll ich das beschreiben, ohne zu spoilern…?
Sagen wir mal so, bei den Geschehnissen im Mittelteil fühlte ich mich als Leser etwas unterschätzt, ganz so dumm ist man vielleicht doch nicht… zum Glück kriegt das zum Ende noch die Kurve. Der Schluss war dann wieder stimmig und hat mir sehr gefallen. Zusammengefasst eine Story, die durchaus spannend konstruiert ist, aber im Mittelteil deutliche Schwächen aufweist.
Leider komme ich mit dem Starken-Mann-Gehabe von Kerner überhaupt nicht klar, er wird mir im Laufe dieser Buchreihe immer unsympathischer. Und was sollen die ständigen Ausfälle in Richtung Psychologie? Ich denke, das ist eine Berufsgruppe, die gute und wichtige Arbeit leistet, gerade auch im kriminalistischen Bereich. Solche ignoranten Ansichten bringen auf jeden Fall mal keine Pluspunkte, jedenfalls nicht bei mir.

Ein lesenswerter Thriller, gehört für mich aber nicht zu den besten von Winkelmann.

Bewertung: 3.5 von 5.

Andreas Winkelmann: Der Fahrer. Hamburg: Rowohlt Verlag, 2020

Karen Köhler: Wir haben Raketen geangelt

Dieses Buch habe ich mir auf einer Lesung der Autorin gekauft, deren Roman Miroloi mich komplett umgehauen hat. Auch diese Sammlung von Kurzgeschichten, insgesamt neun an der Zahl, hat es in sich. Im Fokus der Erzählungen stehen Frauen in existentiellen Lebenssituationen und ihre Versuche, mit Schicksalsschlägen unterschiedlichster Art umzugehen. Das ist manchmal ein Bewältigen, manchmal auch ein Scheitern, aber alle Geschichten sind hochgradig emotional und gehen direkt unter die Haut.
Schriftstellerisch wird das durch die bildhafte, kraftvolle Sprache perfekt umgesetzt. Man kann sich in jeder Geschichte gut in die Gedanken und Gefühle der Protagonisten hineinversetzen, das lässt einen mitleben und manchmal auch mitleiden.

Besonders gefällt mir an diesem Buch, dass wirklich alle Geschichten auf einem sehr hohen Qualitätsniveau sind. Hatte ich bisher bei Erzählbänden eher selten, oftmals ist schon der eine oder andere Ausrutscher dabei. Hier haben mir wirklich alle gefallen.

Meine Lieblingsgeschichte ist auch der Auftakt dieses Erzählbandes: Il Comandante. Aber auch die titelgebende Geschichte Wir haben Raketen geangelt ist absolut großartig. Beide Geschichten haben mich sehr berührt und gehören zu den besten Kurzgeschichten, die ich bisher gelesen habe.
Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung: 4.5 von 5.

Karen Köhler: Wir haben Raketen geangelt. München: dtv, 2016 (Original 2014)

Jo Nesbo: Messer

Von der Frau rausgeschmissen, seinen Job an der Polizeihochschule verloren – zwei gute Gründe für Harry Hole, wieder mit dem Trinken anzufangen und das macht er in diesem Band ausgiebig.
Als sein alter Erzfeind, der Serienvergewaltiger Svein Finne wieder auf der Bildfläche erscheint, ist trotz allem sein Ehrgeiz geweckt und er beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln.
Doch dann ereilt ihn ein Schicksalsschlag, der alles andere in den Schatten stellt…

Bei Krimiserien steht und fällt ja vieles mit dem Ermittler bzw. dem Ermittlerteam. Stimmt da die Chemie nicht, leidet die beste Story. Hier ist es bei mir fast umgekehrt, Harry Hole kann ich schon mal eine etwas schwächere Story verzeihen und dieser Band gehört für mich auch nicht zu den Besten dieser Serie.
Die Geschichte an sich war gut konstruiert, wenn an einigen Stellen auch etwas redundant. Das hat für mich teilweise auf den Spannungsbogen gedrückt, der aber insgesamt auf einem guten Level war. Das Katz-und Mausspiel mit dem Serientäter und das Jonglieren mit verschiedenen Verdächtigen hat eine kontinuierliche Spannung reingebracht. Obwohl inhaltlich mit Dramatik nicht gespart wurde, hat mir aber der gewisse Kick in der Geschichte gefehlt. Die Auflösung war in sich plausibel, aber auch da hätte ich mir einen anderen Ausgang gewünscht.
Aber wie bereits erwähnt, ich mag Harry in seiner abgewrackten Art jenseits des Mainstreams und ich mag den Erzähler Jo Nesbø, der mich mit seiner so angenehmen Erzählweise immer wieder in seine Geschichten verwickelt. Und so werde ich auch weiter Harry Hole lesen.

Bewertung: 3.5 von 5.

Jo Nesbo: Messer. Berlin: Ullstein Verlag, 2019

Claudia Giesdorf: Das Licht am Ende

„Ich habe keine Angst vor Geistern, ich fürchte die Lebenden.“


Die Furcht vor ihrem gewalttätigen Exfreund treibt Helena in die selbstgewählte Isolation. Sie zieht in eine kleine Hütte auf einer abgelegene Lichtung im Wald, jenseits des Dorfes. Ihre einzigen Nachbarn sind die zurückgezogene Näherin Anuk und Salim, ein Sommergast. Wie Helena versuchen beide in der Abgeschiedenheit, traumatische Schicksalsschläge zu verarbeiten.
Doch die Naturidylle bekommt schon bald Risse. Verschwunde Gegenstände und Einbruchsspuren legen den Verdacht nah, dass Helena ihrem Peiniger nicht dauerhaft entkommen konnte. Und vor allem nicht den Geistern der Vergangenheit…

Dieses Buch ist als Psychothriller gekennzeichnet und das ist in diesem Fall wirklich mal passend, denn die Psyche der Protagonistin spielt die Hauptrolle in diesem Buch. Ihr Ziel ist es, sich von äußeren und inneren Zwängen zu befreien und der Leser begleitet sie auf diesem Weg. Das fand ich auch das besondere an diesem Thriller, dass er nicht an der Oberfläche bleibt, sondern tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der Hauptperson eindringt. Hat mir gut gefallen. Ebenso wie die Atmosphäre der sich langsam entwickelnden Bedrohung, die über die kleine Gemeinschaft auf der Waldlichtung hereinbricht. Gerade in diesem Setting sind plötzlich verschwundene Gegenstände und unerklärliche Spuren schon sehr unheimlich.
Trotzdem konnte mich das Buch nicht komplett in seinen Bann schlagen. Ich fand es sowohl inhaltlich als auch sprachlich an einigen Stellen eine Spur zu dick aufgetragen. Normalerweise mag ich emotionale Darstellungen und die sind hier auch grundlegend für die Geschichte, aber sprachlich war mir das zu überdramatisiert und überladen. Da wäre weniger mehr gewesen. Dafür war dann der eigentlich Showdown sehr kurz und unemotional, was im Verhältnis nicht passend war und quasi verpuffte. Dieses Zuviel an Drama im Vorfeld hat mich letztlich daran gehindert, ganz in die Geschichte einzutauchen, so dass ich eher ein distanzierter Beobachter geblieben bin.
Die Wendung am Schluss hat mir wieder gut gefallen, das hatte nochmal so einen Knalleffekt, der der Geschichte gut getan hat.

Bewertung: 3 von 5.

Claudia Giesdorf: Das Licht am Ende. Selbstverlag, 2020

Yrsa Sigurdardottir: Abgrund


In dem neusten und vierten Band der Thrillerserie um den Ermittler Huldar und der Psychologin Freyja wird auf einer alten Hinrichtungsstädte ein Toter gefunden. Aufgeknüpft an einem improvisieren Galgen, mit einer Nachricht an die Brust genagelt. Nur was der Täter mitteilen wollte, bleibt im Dunkeln – der Wind hat das Papier weggeweht…
Noch mysteriöser wird der Fall, als man in der Wohnung des Opfers einen kleinen Jungen findet, den keiner kennt und der auch wenig Auskunft über seine Herkunft geben kann, er ist erst drei Jahre alt.
Eine fieberhafte Suche nach seiner Identität und dem Mörder beginnt, der bereits weitere Pläne schmiedet…

Bei diesem Buch hab ich mal das Pferd von hinten aufgezäumt, denn normalerweise lese ich Serien auch in der richtigen Reihenfolge und das war mein allererstes Buch dieser Autorin. Fand ich aber keinen großen Nachteil, ich bin trotzdem gut reingekommen und das ist auch schon mal eine Leistung. In einer Thrillerserie Einzelbände so zu konzipieren, dass sie für sich stehen, aber in der Summe trotzdem eine längere Geschichte erzählen.

Der Thriller beginnt schon mal sehr vielversprechend, der offensichtlich hingerichtete Tote mit der demonstrativ angenagelten Nachricht an der Brust verspricht Spannung.
Ihren ruhigen Schreibstil fand ich ausgesprochen angenehm, die Geschichte entwickelt sich mit Bedacht. Ist mir oft lieber, als wenn die Geschichte mit einer spektakulären Aktion nach der anderen überfrachtet wird oder vor Gewalt nur so trieft.
Zwischendurch hab ich mich allerdings schon gefragt, ob man spannungstechnisch nicht an der einen oder anderen Stelle noch eine Schippe hätte drauflegen können.
Die Story war in sich stimmig konstruiert, obwohl ein wesentliches Detail für mich nicht nachvollziehbar war und leider nur am Rande erwähnt wird.
Von meiner Seite hätte ich mir auch ein anderes Ende gewünscht, obwohl es gut in die Story passt.
In der Summe ein unaufgeregter, aber durchaus lesenswerter Thriller.

Bewertung: 3.5 von 5.

Yrsa Sigurdardottir: Abgrund. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 2020