Fil Tägert: Mitarbeiter des Monats

Berliner werden ihn kennen, den guten alten FIL. Comiczeichner und Comedian, der ausgesprochen lustig Lieder und Anekdoten aus seinem Leben zum Besten gibt. Dass das auch in Buchform funktioniert, konnte ich bereits vor einigen Wochen an seinem Erstlingswerk ‚Pullern im Stehen‘ feststellen. Also hatte ich mir gleich den Nachfolgeband geschnappt, der praktischerweise noch auf meinem SuB vor sich hindämmerte…

Bei ‚Pullern im Stehen‘ geht es ja um Fils Kindheit und Jugendjahre Anfang der 80er Jahre und dieses Buch schließt quasi da an, wo das erste aufgehört hat. Fil heiß hier Nick, die Freunde heißen auch alle anders und wahrscheinlich wird’s ab hier auch nicht mehr ganz so autobiographisch, aber chronologisch befinden wir uns in den fortgeschrittenen 80ern und Fil/Nick weiß nicht so recht, was er mit seinem Leben nach der Schule anfangen soll. Also erstmal jobben bei MacDonalds. Daneben gibt’s viel Bier, Frauen, die einen in den Wahnsinn treiben und Kumpels, die alle auch ein bisschen irre sind. Die Frage ‚Wer bin ich?‘ lässt sich noch nicht mal stilistisch lösen: „Ins Linientreu gingen die Leute, die sich was in die Haare machten. Das waren unsere Leute. Wir machten uns was in die Haare, und dann machten wir die Haare hoch, aber wir waren jetzt nicht ‚New Wave‘ oder so was. Irgendwie waren wir aber auch nicht NICHT New Wave. Keine Ahnung. Punk war ja vorbei, und was anderes kam irgendwie nicht. Wir waren die mit was in den Haaren.“
Der Klappentext gibt einen ganz guten Eindruck über das, was einen in diesem Buch erwartet. Die bekannten Probleme des Erwachsenwerdens, auf unterhaltsame und witzige Art beschrieben.
Ich lese ja ausgesprochen gerne über Irrungen und Verwirrungen aus der Jugendzeit, da kann ich mich immer sehr wiederfinden und auch hier hab ich mich anfangs köstlich amüsiert. Leider trägt die Geschichte inhaltlich aber so gar nicht ein ganzes Buch. Das flacht immer wieder ab, wiederholt und zieht sich, verliert sich in Klamauk, der dann auch nicht mehr lustig ist. Für mich also eine eher mittelprächtige Fortsetzung. Schade.

Bewertung: 3 von 5.

Fil Tägert: Mitarbeiter des Monats. Hamburg: Rowohlt Verlag, 2016

Kategorie Sachbuch

Es gibt eine kleine Neuerung auf meinem Blog…

Ab sofort gibt es unter Rezensionen die neue Kategorie SACHBUCH.

Dort werde ich über Sachbücher berichten, die ich euch aus unterschiedlichsten Gründen ans Herzen legen möchte: weil sie inhaltlich bereichern, zum Nachdenken anregen oder manchmal auch einfach nur gut unterhalten. Im Gegensatz zu den anderen Kategorien werden es daher ausschließlich Empfehlungen von Büchern sein, die mir gut gefallen haben, so dass eine Bewertung nach Sternen entfällt. Das liegt zum einen anderen daran, dass der Schwerpunkt dieses Blogs ganz klar auf der erzählenden Literatur liegt. Es wird daher unter dieser Rubrik auch eher wenig Beiträge geben. Zum anderen fehlt mir bei den einzelnen Sachthemen in der Regel auch das Fachwissen, um hier eine sinnvolle Bewertung vornehmen zu können.

Das erste Buch in dieser Kategorie ist auch gleich mein Buch des Monats, weil er wie kein anderer passt dieser Tagen…

Daniel Schreiber: Zuhause

Kann ich euch wirklich sehr empfehlen, aufgrund seines schmalen Umfangs auch für Nichtleser geeignet….

C.J. Tudor: Der Kreidemann

Als Zwölfjähriger begegnet Eddie zum ersten Mal dem Kreidemann. Er brachte ihn auf die Idee mit den Zeichnungen, die für Eddie und seine Freunde zu einer Geheimsprache wurden. Zunächst ist alles nur ein aufregender Spaß, doch dann führen die Kreidemännchen die Kinder zu einer Leiche im Wald. Dreißig Jahre später tauchen die Kreidezeichnungen erneut auf…

Der Klappentext beginnt mit einem Zitat von Stephen King: „Wenn Sie meine Bücher mögen, werden Sie auch dieses verschlingen.
In der Tat hat das Buch viele Elemente, die an Stephen King erinnern, was bis hin zur Namenswahl geht. Gerade aus ES wurde sich ziemlich bedient, was die Geschichte nicht unbedingt schlecht macht, wenn auch etwas weniger originell. Die düstere und geheimnisvolle Grundstimmung hat mir gut gefallen und auch wenn das Buch nicht vor Spannung übersprudelt, konnte mich die Geschichte doch so fesseln, dass ich gerne und zügig weitergelesen habe. Dazu haben die beiden Erzählstränge aus Vergangenheit und Gegenwart beigetragen, die gut miteinander verknüpft waren. Die Auflösung fand ich etwas gewöhnungsbedürftig, obwohl durchaus denkbar. War für mich aber nicht so überzeugend. Dafür aber das Ende, das war ein sehr gekonnter Schlusspunkt.

Bewertung: 3.5 von 5.

C.J. Tudor: Der Kreidemann. München: Goldmann Verlag, 2018

Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann

Eine seltsame Mischung bilden die Einwohner des kleinen Dorfes im Westerwald, in dem Luise heranwächst. Da ist ihre Oma Selma, die wir Rudi Carell aussieht und in ihren Träumen den Tod vorhersehen kann. Immer, wenn sie von einem Okapi träumt, stirbt ein Dorfbewohner. Stets an ihrer Seite der Optiker, der sich nicht traut, ihr seine Liebe zu gestehen und mit seinen inneren Stimmen kämpft. Da ist die abergläubische Elsbeth, die stets übellaunige Marlis und der sich ständig auf Weltreise befindliche Vater, der konsequent den Ratschlag seines Psycholanalytikers befolgt, er solle mehr Welt in sein Leben lassen.
In dieser höchst eigenwilligen Gemeinschaft lernt Luise den buddhistischen Mönch Frederik kennen…

Man merkt es wahrscheinlich schon an dieser kurzen Beschreibung, dieser Roman ist einigermaßen bizarr, einfach weil er aus einer Ansammlung eben dieser bizarrer Persönlichkeiten besteht. Aber im allerbesten Sinne. Das war für mich zugegebenermaßen am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, aber mal wieder ein gutes Beispiel für ein Buch, das sich leise und verhalten anschleicht und einen zum Schluss völlig erobert. Am Ende hatte ich sie alle ins Herz geschlossen.
Dieses Buch strotzt vor Situationskomik und Wortwitz, schießt für meinen Geschmack an manchen Stellen auch übers Ziel hinaus, ist dann aber wieder so voller Ernsthaftigkeit und Tiefe, dass es einem die Tränen in die Augen treibt.

Zum Beispiel in Momenten wie diesem, in dem der Optiker der kleinen Luise Trost zuspricht: „Es wird in deinem Leben Momente geben, in denen du dich fragen wirst, ob du überhaupt irgendetwas richtig gemacht hast. Das ist ganz normal. Es ist auch eine ganz wichtige Frage. (…) Sie taucht meist spät im Leben auf. Ich weiß nicht, ob Selma und ich dann noch da sein werden. Deshalb sage ich dir das jetzt: Wenn es soweit ist, wenn diese Frage auftaucht und dir nicht sofort etwas einfällt, dann erinnere dich daran, dass du deine Großmutter und mich sehr glücklich gemacht hast, so glücklich, dass es für ein ganzes Leben von vorne bis hinten reicht. Je älter ich werde, desto mehr glaube ich, dass wir nur für dich erfunden worden sind. Und wenn es einen guten Grund gibt, erfunden zu werden, dann bist das du.“ (S.198f)
Einfach nur großartig!

Und das traurig-schöne Ende rund um Selma hat mich nicht nur einmal heftig losheulen lassen.
Wenn ein Buch das kann, einen zum Lachen und zum Weinen bringen, dann ist es schon etwas sehr besonderes. Geht, lacht und weint!

Bewertung: 4.5 von 5.

Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann. Köln: Dumont Buchverlag, 2019 (Original 2017)

Arno Strobel: Offline

Fünf Tage ohne Handy und Internet erwarten die Teilnehmer eines Digital-Detox-Experiments, einem Trip in ein abgeschiedenes Bergsteigerhotel ohne Anbindung an die Außenwelt und digitale Medien. Doch kaum im Hotel angekommen, verschwindet einer der Teilnehmer und wird kurze Zeit später schwer misshandelt gefunden. Da inzwischen starker Schneefall herrscht, kann keiner das Hotel verlassen oder Hilfe benachrichtigen. Keiner kann dem Täter entkommen und alle sind verdächtig…

Zugegeben, das Motiv ist jetzt nicht wirklich neu. Ein abgeschiedener Ort, an dem eine Gruppe von Menschen miteinander eingeschlossen und einer der Mörder ist… das kennt man bereits von Agatha Christies Zehn kleinen Negerlein und dessen zahlreichen Adaptionen. Aber warum greift man dieses Motiv immer wieder auf? Weil es einfach gut ist und maximale Spannung verspricht, wie auch in diesem Fall. Dieser Thriller ist wahnsinnig spannend und spielt gekonnt mit dem Motiv, niemandem trauen zu können.
Die Szenerie in dem einsamen Bergsteigerhotel ist sehr gut gewählt und bringt immer wieder gruselige Momente rein, die an Shining erinnern. Die Charaktere sind ebenfalls gut in Szene gesetzt, wenn in ihrer Art auch etwas stereotyp.
Bei der Story dachte ich anfangs, das ist ja totaler Nonsens, wurde dann aber eines besseren belehrt. Das Ganze wurde zum Schluss eine plausible und in sich stimmige Geschichte. Also nicht von den ersten Seiten abschrecken lassen…
Für mich stand allerdings der Täter relativ schnell fest, was mich aber nicht allzu sehr gestört hat, denn einige wichtige Fragen waren noch offen und wurden durch das gute Ende zufriedenstellend gelöst. Daher klare Leseempfehlung.

Bewertung: 4 von 5.

Arno Strobel: Offline. Frankfurt am Main: Fischer Verlag, 2019

Mareike Fallwickl: Dunkelgrün, fast schwarz

Rafael und Moritz kennen sich seit Kindertagen, dann bricht plötzlich die elternlose Jo in diese Zweisamkeit ein und es entwickelt sich zwischen den inzwischen Jugendlichen eine fatale Dreiecksbeziehung. In deren Zentrum steht der charismatische Rafael, der hinter seinem einnehmenden Lächeln ein zerstörerisches Wesen verbirgt. Nach 16 Jahren treffen sie wieder aufeinander und mit ihnen die alte Erinnerungen und Verletzungen.

Bei manchen Büchern merkt man gleich auf den ersten Seiten, das wird mein Freund werden, weil sie einem sofort seltsam vertraut vorkommen. Nicht, weil man Ähnliches schon mal erlebt hätte, sondern weil es eine Übereinstimmung gibt in der Art zu denken und Gefühle zu beschreiben. Und genau so ging es mir mit diesem Roman.
Immer wieder bin ich auf Textstellen gestoßen, die mich innehalten ließen, weil sie so glasklar und zugleich einfühlsam das zugrundeliegende Gefühl getroffen haben. Hab mir direkt auch einige Passagen rausgeschrieben…
Auch stilistisch überzeugt das Buch durch verschiedene Erzählperspektiven und Zeitebenen, nach und nach entsteht für den Leser ein immer klareres Bild über die Struktur dieser fatalen Dreiecksbeziehung. Und der Hintergrund des Buchtitels ist natürlich sensationell gut.
Ein wenig hab ich mit dem Ende gehadert, aber trotz allem ein ganz wunderbares Buch.

Bewertung: 4.5 von 5.

Mareike Fallwickl: Dunkelgrün, fast schwarz. Frankfurt am Main: Frankfurter Verlagsanstalt, 2018

Jan Peter Bremer: Der junge Doktorand

Schon seit zwei Jahren wartet das Ehepaar Greilach in ihrer abgelegen Mühle auf die Ankunft des jungen Doktoranden, der dem alternden Maler zu neuem Ruhm verhelfen soll. Doch immer wieder wird der Besuch verschoben und die Erwartungen an den lang ersehnten Gast steigern sich ins Unermessliche. Als er dann endlich eintrifft, präsentiert er sich jedoch in einem gänzlich anderen Licht. „Was war denn das für ein Doktorand! Damit hatten sie einfach nicht rechnen können. Das ließ sich doch keinem erklären…“
Und auch der Doktorand hat nicht mit diesem Ehepaar gerechnet…

Wem bei der Kurzbeschreibung spontan Becketts Warten auf Godot in den Sinn kommt… nein, nicht wirklich, denn der Doktorand taucht schon zu Beginn des Buches auf. Und mit diesem Aufeinandertreffen entspinnt sich ein Feuerwerk an Situationskomik loriotschen Ausmaßes, das ich wirklich lustig fand. Diese Karikatur des oberflächlich-kleinbürgerlichen Lebens in all seiner Beschränktheit und das hilflose Agieren des einigermaßen verplanten Doktoranden war für mich ausgesprochen unterhaltsam, jedenfalls in der ersten Hälfte des Buches. Danach nutzt sich das Motiv etwas ab und der Autor verliert sich in der Person des Malers gelegentlich in Monolgen, was das Unterhaltungsbarometer etwas nach unten getrieben hat. Aber zum Glück ist das Buch recht schmal und ist dann auch zu Ende, bevor sich das zu einem echten Problem auswächst.

Bewertung: 4 von 5.

Jan Peter Bremer: Der junge Doktorand. Berlin: Berlin Verlag, 2019

Daniel Kehlmann: Tyll

Richtig, hier geht es um Till Eulenspiegel, den man zumindest vom Namen nach kennt oder sogar von den überlieferten mittelalterlichen Schwanksammlungen. Als fahrender Gaukler mit anarchistischem Potential zog er übers Land und hielt den Leuten ungeachtet ihres Standes einen Spiegel vor. Also eine durchaus interessante Persönlickeit, von der man nicht so genau weiß, ob sie tatsächlich gelebt hat, obwohl es dazu einige Hinweise geben soll. Aber das ist in diesem Zusammenhang auch nicht so wichtig, denn Till ist eigentlich nur der Aufhänger für eine anschaulich-drastische Geschichte über die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Das ist zwar rund 300 Jahre später als der Eulenspiegel-Figur zuzuordnen, aber alle wesentlichen Merkmale des Mittelalters zeigen sich auch hier: Hunger, Elend, Gewalt, Krieg, Kindersterblickeit, Aberglauben, Hexenverbrennung oder auch das einigermaßen befremdliche Machtgeschacher der Adligen. Und dass die Gaukler vielleicht nicht aus einer fröhlichen Eingebung heraus übers Land gezogen sind, lässt sich irgendwie auch vermuten.

Tyll wird zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Sohn eines Müllers geboren, der schon bald in einen Konflikt mit der Kirche gerät und hingerichtet wird. Tyll muss fliehen, begleitet von der Bäckerstochter Nele. Auf seinem Weg durch das von Religionskriegen durchzogene Land begegnen sie den unterschiedlichsten Leuten: angefangen von Pirmin, dem Jongleur über den fanatischen Jesuiten Tesimond bis hin zum Könispaar Elisabeth und Friedrich von Böhmen, die für den Ausbruch des Krieges maßgeblich verantwortlich sind. Ihre Geschichten verbinden sich zu einem Spiegel der Zeit, dessen Wahnsinn uns die Figur des Eulenspiel meisterhaft vor Augen führt.

Das war mein erster Kehlmann und bestimmt auch nicht mein letzter, denn das Buch hat mich wirklich gut unterhalten. Ein schöner Schreibstil, sehr plastisch, inhaltlich facettenreich und mit ausdrucksstarken Charakteren. Auf kurzweilige Art bekommt man einen vielschichtigen Einblick in das Leben in dieser Zeit und kann sich in seinem warmen Kämmerlein freuen, dass man ein paar Jahrhunderte später geboren ist. Auch den Einstieg ins Buch fand ich extrem gelungen.
Für mich krankte das Buch etwas daran, dass es vor allem in der zweiten Hälfte einige Längen hat. Da gerät doch der eine oder andere Protagonist ins monologisieren und das hat zwischendurch die Spannung rausgenommen. Aber trotz allem eine ganz klare Leseempfehlung.

Bewertung: 3.5 von 5.

Daniel Kehlmann: Tyll. Hamburg: Rowohlt, 2017

Jo Nesbo: Der Schneemann

Im siebten Teil der Harry Hole-Serie geht es um einen Serienmörder mit einem speziellen Markenzeichen: am Tatort hinterlässt er einen Schneemann. Vier Frauen sind ihm bereits zum Opfer gefallen, alle brutal ermordet. Als sich Harry Hole des Falles annimmt, entdeckt er zwischen den Frauen einige Gemeinsamkeiten: alle waren verheiratet, hatten Kinder und nahmen es offenbar mit der Treue nicht so genau. Und zwei von ihnen besuchten den gleichen Arzt, einen Spezialisten für Erbkrankheiten…

Für mich eines der besten Bücher aus dieser Serie, die ich an sich schon gelungen finde, einfach weil ich die Figur des Harry Hole sehr authentisch und sympathisch finde. Ich seh da so ein bisschen Nesbo vor mir und ein Teil von ihm steckt da sicher auch mit drin.

Diesen siebte Teil finde ich schon mal vom Motiv des Schneemanns her bestechend, da das so eine latenten Gruseleffekt erzeugt. Ähnlich wie der bedrohliche Horrorclown, der plötzlich auftaucht. Zusätzlich besticht dieser Teil durch eine wirklich gute Story – originell, genau durchdacht und spannend umgesetzt. Vor allem die Wendung in der zweiten Hälfte des Buches, in der der Täter in Erscheinung tritt, gibt dem Ganzen nochmal einen Kick und legt dramaturgisch nochmal eine Schippe drauf.

Wie viele andere Thriller kommt Nesbo auch hier nicht mit dem klassischen Showdown aus und manchmal ist mir das einen Tick zu viel, aber hier geht es gerade noch so durch.

Bewertung: 4.5 von 5.

Jo Nesbo: Der Schneemann. Berlin: Ullstein Verlag, 2009 (Norwegisches Original 2007)

Florian Schwarz: Stichling


Für eine Inhaltsbeschreibung dieses Romans braucht es nicht viele Worte, was nicht daran liegt, dass es hierzu nicht einiges zu sagen gäbe oder der Roman mit seinen knapp 200 Seiten vergleichsweise schmal ist, sondern dass das Thema für sich spricht. Denn in diesem Buch geht es um den Krieg. Und zwar in seiner hässlichsten und damit auch ehrlichsten Form. Es ist die Geschichte des 17jährigen August, der durch die Hölle des ersten Weltkriegs geht. Der Autor hat hier aus den Erinnerungen seines Opas einen Roman geschaffen, der den Wahnsinn des Krieges in all seinen Facetten sehr drastisch beschreibt.

In einigen Rezensionen wurde dieser Roman als neue Pflichtlektüre an Schulen vorgeschlagen. Das ist ein Kompliment. Ihn auf eine Stufe mit Erich Maria Remarque zu stellen sicherlich auch, denn dieser Vergleich ist mir spontan gekommen und das liegt nicht nur am gleichen Thema. Denn auch hier gelingt dem Autor der genaue und schonungslose Blick, der alles auseinandernimmt und einem eine Ahnung davon bekommen lässt, was Krieg eigentlich bedeutet. Und das alles in einer ganz wunderbar ausgefeilten Sprache, einem Nebeneinander von distanzierter Beschreibung und sehr emotionalen, tiefgehenden Innenansichten. Die Schilderung sind so plastisch und kraftvoll, als wäre er selbst dabei gewesen und vielleicht war er es auch auf eine Art, als Zuhörer aus tiefstem Herzen.

Nun ist Im Westen nichts Neues ein Klassiker, dem man nur schwer das Wasser reichen kann, denn authentischer geht es kaum. Der Autor wusste, wovon er spricht und das merkt man an jedem einzelnen Satz. Deshalb ist die Leistung des Autors umso bemerkenswerter. So eine Tiefe und Echtheit in den Schilderungen hinzubekommen, ist schon sehr besonders. Ich hab mich auch gefragt – ohne blasphemisch werden zu wollen , ob mir dieser Roman fast noch besser gefällt als Remarque. Ich finde ihn komprimierter und sprachlich herausragend.

Die Zeitzeugen sind schon lange tot, entweder im Krieg gefallen oder im Laufe eines hoffentlich langen Lebens. Aber ihre Erinnerungen bleiben und setzen ein Zeichen, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Bewertung: 4.5 von 5.

Florian Schwarz: Stichling. Buchfink Verlag, 2019