
Wedekinds bekanntestes Drama, das den Untertitel ‚Eine Kindertragödie‘ trägt, handelt von den Nöten der Heranwachsenen im ausgehenden 19.Jh. und ist um die Jungen Moritz und Melchior, sowie dessen Freundin Wendla zentriert.
Während Moritz und Melchior zwischen Prüfungdruck und anderweitigem Druck aufgrund aufkeimender sexueller Regungen hin- und hergerissen werden, will nun auch Wendla endlich wissen, wo die Kinder herkommen. Ihre Mutter greift in ihrer Ratlosigkeit auf den guten alten Storch zurück. Melchior hat da schon mehr zu bieten und verfasst für seinen Freund eine selbstgeschriebene und bebilderte Aufklärungsschrift, die bei dem von Selbstzweifeln Geplagten nur noch größere Verwirrung auslöst.
Als Melchior und Wendla sich näher kommen und Moritz für sich den Freitod wählt, nimmt die Katastrophe ihren Lauf…
Manche Autoren sind ihrer Zeit voraus. Wedekind war es definitiv, denn in Zeiten größter Prüderie und Doppelmoral Sex zum Thema eines Bühnenstücks zu machen, dazu gehört schon Mut. Wenn man sich dabei auch nicht scheut, über gleichgeschlechtliche Liebe und Masturbation zu schreiben, dann gebührt einem allergrößter Respekt. Natürlich ist den Biedermeiern solle Unmoral übel aufgestoßen und entsprechend verboten oder zensiert war dieses Stück eine geraume Zeit.
Ich finde dieses Drama ganz wunderbar geschrieben und in seiner Doppelmoral hervorragend herausgearbeitet. Trotz seines ernsten und leider auch sehr realitätsnahem Thema ist das Stück von einem grotesken Humor durchzogen, der mich des öfteren zum Lachen gebracht hat. Kein Wunder, dass hier Grabbe und Büchner im Geiste Pate gestanden haben.
Frank Wedekind: Frühlings Erwachen. Stuttgart: Reclam, 1971 (Original 1890)