Max Bentow: Das Bernsteinkind

Im mittlerweile 10. Fall dieser Reihe ermittelt Kommissar Trojan in einer Mordserie, in der die Opfer augenscheinlich nichts verbindet, bis auf ein grauenvolles Detail: ihre Augen leuchten golden wie Bernstein.
Bei seinen Ermittlungen stößt Trojan auf eine weitere Gemeinsamkeit. Vor ihrem Tod scheinen alle Opfer in den Besitz eines mysteriösen Buches gekommen zu sein – geschrieben von einem anonymen Verfasser, das den Namen ‚Nachland‘ trägt.
Und das scheint nicht nur der Titel des Buches zu sein…

Wie man an dem Foto bereits unschwer erkennen kann: Ich bin Fan und das schon seit vielen Jahren. Seinen ersten Band hatte ich zufällig als Neuerscheinung in meiner Bibliothek entdeckt und habe seitdem jedem neuen Band entgegengefiebert.
Ich mag den Charakter Nils Trojan und finde insgesamt, dass Bentows Figuren gut ausgearbeitet sind. Das trifft insbesondere auf die Täterpersönlichkeiten und ihre Motive zu, die psychologisch sehr ausdifferenziert sind. Häufig entsteht die besondere Spannung der Geschichten aus den sehr speziellen psychischen Eigenarten der Täter selbst, die sie mit ihren Opfern verbindet und ihr Handeln antreibt. Plottwists und Action am laufenden Band sind hier gar nicht nötig, um ein Höchstmaß an Spannung zu erzeugen.
Dazu kann Bentow ganz wunderbar schreiben: einmal angefangen ist es nur schwer, wieder aufzuhören. Man fliegt förmlich durch die Seiten.
Und als Berlinerin freue ich mich immer wieder, meine Stadt in seinen Büchern wiederzufinden. Auch in diesem Band war Trojan an vielen sehr vertrauten Orten unterwegs, unter anderem in dem Lichtenberger Kiez, in dem mein Freund wohnt. Sowas macht Spaß!

Obwohl ich nun sehr viel Lobendes über diese Thrillerreihe geschrieben habe, die zu weiten Teilen auch auf dieses Buch zutrifft, kann ich in den allgemeinen Jubel zum Bernsteinkind nicht einstimmen, so leid es mir tut.
Es ist für mich leider der schwächste Band der Reihe.

Was ich an Bentow so liebe, nämlich das seine Geschichten logisch gut aufgebaut und komplett nachvollzubar sind, fehlt mir hier streckenweise. Die Grundmotivation des Täters, von der er in eingeschobenen Passagen selbst berichtet, ist zwar gewohnt stimmig und überzeugend, aber zwischendurch waren für mich einige Dinge nicht logisch. Achtung: möglicher Spoiler – die spezielle Buchkonstruktion ist ja sehr aufwändig und vieles seiner ebenfalls aufwändigen Planung hängt davon ab, das genau diese Personen das Buch finden, mitnehmen und genau das damit tun, was sie tun. Wie wahrscheinlich ist sowas, beispielsweise in der U-Bahn Szene? Da waren für mich eindeutig zu viele (für die Geschichte notwendige) Konstruktionen von zu viel unwahrscheinlichen Zufällen abhängig und das hat meine Lesefreude etwas getrübt. Auch vom Schreibstil habe ich Bentow hier teilweise gar nicht wiedererkannt. Es war zwar wie immer gut zu lesen, aber gerade zu Beginn und zum Ende hin fand ich die Dialoge zum Teil regelrecht hölzern. Dass Trojan und seine Kollegin sich (und den Leser:innen) gegenseitig den Fall haarklein erklären, damit das dann auch jeder verstanden hat, musste für meinen Geschmack nicht sein. Insgesamt ist es aber Jammern auf hohem Niveau, denn ich mag die Reihe natürlich auch weiterhin und freue schon auf Band 11!

Bewertung: 3.5 von 5.

Max Bentow: Das Bernsteinkind. München: Goldmann, 2022

Sebastian Fitzek: Mimik

Als die Mimikresonanzexpertin Hannah Herbst, Spezialistin für unbewusste mimische Reaktionen und Beraterin der Kriminalpolizei, nach einer Operation erwacht, steht sie vor einem bekannten Problem. Sie leidet nach Narkosen unter Gedächtnisverlust und auch jetzt ist ihr Erinnerungsvermögen schwer gestört. Was die Situation extrem erschwert. Sie befindet sich in der Gewalt eines Schwerverbrechers und Soziopathen. Und sie soll sich ein Video anschauen, in dem eine Frau den Mord an ihrer Familie gesteht. Nur..diese Frau ist sie selbst…

Warum lese ich immer wieder Fitzek? Für manche eine völlig unverständliche Frage, aber tatsächlich ernst gemeint. Denn gerade das letzte Buch fand ich nicht gut und man hat den Eindruck, dass Inhalt und Tiefe der Geschichten immer mehr in den Hintergrund geraten. Zugunsten von aufwändigem Design und Marketing.

Aber um die Eingangsfrage zu beantworten: Fitzek schreibt einfach gut. Ein sehr eingängiger Schreibstil, man ist sofort drin in der Geschichte und fliegt förmlich durch die Seiten. Einfach gute, spannende Unterhaltung, die Spaß macht.
Wenn man sich darauf einlässt, dass die Geschichten von Fitzek häufig völlig überkonstruiert sind, wie man auch hier schon an der kurzen Einleitung sieht. Da kommt gleich zu Beginn einiges zusammen und setzt sich in ähnlicher Weise fort. Für mich ist es auch hier an einigen Stellen wieder drüber, wie auch schon in seinen letzten Büchern. Zu viel Action und Plottwists, zu viel Um-die-Ecke-gedacht und zu wenig Tiefe in den Charakteren und der Geschichte. Auch wenn ich hier die überraschende Wendung am Ende gut gelungen finde.

Wie wahrlich nicht alles an diesem Thriller. War da ernsthaft wieder dieser Schneemann? Spontan fallen mir gleich zwei Thriller mit genau diesem Szenario ein und vermutlich gibt es noch viel mehr. Originell ist das nicht. Allerdings haut dieses Defizit die besondere Thematik der Mimikresonanz wieder raus.

Man merkt, ich bin bei diesem Buch hin- und hergerissen.

Mimik gefällt auf jeden Fall besser als das letzte Buch, ist allerdings weit von dem Eindruck entfernt, den damals ‚Die Therapie‘ bei mir hinterlassen hat.

Bewertung: 3.5 von 5.

Sebastian Fitzek: Mimik. München: Droemer Knaur, 2022

J.P. Barker: Das Haus der bösen Kinder

Diese Reihe habe ich einer Leserunde gelesen…

Das ist nun der letzte Teil der Trilogie um Sam Porter und den Fourth Monkey Killer und wen wundert’s – auch hier gibt es wieder eine Mordserie, die Merkmale des gesuchten Serientäters trägt. Nur liegen die Tatorte so weit auseinander, dass mehr als eine Person im Spiel sein muss…

Wie schon beim ersten Teil haben wir vor allem weitergelesen, um die diversen offenen Fragen zu klären, die nach Band zwei eher noch mehr geworden sind. Denn so richtig begeistern konnten uns beide Teile nicht. Tja, man hätte es vielleicht dabei belassen sollen…
Klar gab es auch in diesem Buch eine Reihe spannender Momente, sonst hätten wir wahrscheinlich direkt nach Teil eins abgebrochen. Gerade die Tagebucheinträge waren interessant und haben einen an die Geschichte gefesselt. Und das ist auf jeden Fall ein Pluspunkt der gesamten Reihe, dass die Tagebucheinträge wirklich spannend zu lesen sind und einen zum Weiterlesen motivieren. Aber der Rest…

Hohle Charaktere und ein komplettes Storywirrwarr, in dem man auf Fährten geführt wird, die sich danach als schwer geflunkert herausstellen. Kann man mal machen, aber die ganze Zeit…
Durch dieses ständige Verwirrspiel war man als Leser irgendwann aus der Geschichte gekickt und es war einem dann fast schon egal, wie das Ganze ausgeht. Und letztlich war auch die Auflösung, auf die wir uns durch drei Bücher hingearbeitet haben, direkt ärgerlich. Da fühlt man sich als Leser einigermaßen vera…..!
Nach dem Lesen waren Janine und ich uns einig, diese Reihe hätten wir uns sparen können.

Bewertung: 1.5 von 5.

J.P. Barker: Das Haus der bösen Kinder. München: Blanvalet / Verlagsgruppe Random House, 2020

Bernhard Aichner: Totenfrau

Schon auf den ersten Seiten wird klar, dass die Bestatterin Blum etwas anders ist, um es mal vorsichtig auszudrücken. Eins ist sie auf jeden Fall nicht, zartbesaitet. Als ihr Mann bei einem Unfall mit Fahrerflucht stirbt, nimmt sie die Suche nach den Schuldigen auf und zieht dabei alle Register…

Ein Glück, nach der Dunkelkammer ein Licht am Ende des Tunnels 💡
Das war mal wieder ein Aichner nach meinem Geschmack, mit gelungener Story und ausgearbeiteten Charakteren. Klar ist Blum in jeder Beziehung extrem, aber auf ihre Art überzeugend dargestellt. Eine Frau mit Kill Bill-Faktor.
Ähnlich extrem war die Story im Bestattermilieu, die dem Leser direkt einen Crashkurs für die Aufbereitung von Leichen gibt. War jetzt nicht immer appetitlich, aber originell und für meinen Geschmack hochinteressant. Vor allem, wenn man im nachgeschalteten Interview erfährt, dass der Autor zu Recherchezwecken selbst bei einem Bestatter gearbeitet hat. Respekt!

Die Story war durchweg spannend und temporeich, ohne sich in zahlreichen Verwicklung zu verzetteln. Wie schon in ‚Bösland‘ gibt es die zwischengeschobenen Dialoge, die nur mit Gedankenstrichen markiert sind. Auch wenn das den Überblick erschwert, wer nun gerade redet, mag ich den Stil ganz gerne. Das bringt Dynamik und Abwechslung rein.

Einziger großer Kritikpunkt war die ungewöhnliche Häufung glücklicher Zufälle. Bei Blum gehen auch die gewagtesten Pläne sofort auf, alles klappt wie am Schnürchen. Auch fand ich die Auflösung nicht so gelungen.

Bewertung: 3.5 von 5.

Bernhard Aichner: Totenfrau. München: btb Verlag, 2014

Sebastian Fitzek: Der Augenjäger

Die eine oder andere Frage, die im ersten Teil offen geblieben war, wird in diesem Band wieder aufgegriffen. So begegnen einem die bekannte Figuren, werden aber durch neu hinzukommende ergänzt. Neben der Geschichte um Alex und seinen Sohn tritt hier noch ein reichlich gestörter Augenchirurg auf, der seinen Opfern eine besondere Behandlung angedeihen lässt, um es mal vorsichtig auszudrücken…

Dieses Buch ist mal wieder ein gutes Beispiel dafür, dass man manche Dinge einfach so lassen sollte, wie sie sind. Die Geschichte um den Augensammler hatte für mich einen guten Abschluss und auch wenn einige Fragen offen geblieben waren, war das Wesentliche geklärt. Manchmal ist es auch ganz gut, wenn man sich den letzten Rest dazudenken kann. Ich hatte jedenfalls nicht das Gefühl, dass hier noch was fehlt.
Aber surprise, surprise – gibt’s halt noch Teil 2…

Und der war leider so unnötig wie nur irgendwas. In zwei Erzählssträngen überschlägt sich die Story in Aktionismus und unverständlichen Andeutungen, die den Leser wahlweise Stirnrunzeln oder mit dem Kopf schütteln lassen. Ein bisschen Rätselraten ist ja ganz schön, aber wenn man mit offenen Fragen zugeschüttet wird und man gefühlt von einem Plottwist in den anderen stolpert, ist man eher verwirrt als gut unterhalten. Ein bisschen sollte man den Leser auf seine Reise schon mitnehmen.
Natürlich löst sich auch hier das Ganze am Ende auf und wird einigermaßen verständlich, ist aber weit entfernt von einem guten Aha-Erlebnis. Für mich war die Geschichte völlig überkonstruiert und in jeder Beziehung too much, inklusive der unnötig grausamen Geschichte rund um den Augenchirurgen.
Kurz zusammengefasst hätte es für mich diesen zweiten Teil wirklich nicht gebraucht, was schade ist. Der Augensammler hatte mir gut gefallen…

Bewertung: 1.5 von 5.

Sebastian Fitzek: Der Augenjäger. München: Droemer Knaur Verlag, 2011

Sebastian Fitzek: Der Augensammler

Es ist ein Spiel zu seinen Bedingungen. Erst tötet er die Mutter, dann verschleppt er das Kind an einen unbekannten Ort. Dem Vater gibt er genau 45 Stunden und 7 Minuten Zeit, das Kind zu finden. Nach Ablauf der Zeit verliert es nicht nur sein Leben, sondern auch sein linkes Auge…

Viel mehr möchte ich zum Inhalt gar nicht sagen, denn das spricht an sich schon für eine spannende Handlung – zumindest eine nach meinem Geschmack. Ich mag solche Szenarien, wenn sie gut gemacht sind und das trifft hier in jedem Fall zu. Endlich mal wieder ein Fitzek, der einem nicht durch haufenweise Plottwists und Rätselraten die Nerven strapaziert – auch wenn es sich hier um einen schon etwas älteren Thriller handelt. Das ist solide entwickelt und aufgebaut.
Ich fand die Geschichte durchweg spannend und auch in ihrer Auflösung rund und stimmig, wenn vielleicht auch etwas überraschend. Hier ist mir auch wieder aufgefallen, warum Fitzek so eine große Fangemeinde hat, auch wenn seine Storys nicht alle wirklich gut sind, wie ich finde. Der Mann kann einfach gut schreiben.

Einziger wirklicher Kritikpunkt waren für mich die übersinnlichen Phänomene, die in dem Roman eine Rolle spielen. Das fand ich für einen Fitzek unpassend und haben mich an der Geschichte gestört.
Ansonsten war’s für mich rundum gute Unterhaltung, von daher gibt’s den Daumen hoch!

Bewertung: 4 von 5.

Sebastian Fitzek: Der Augensammler. München: Droemer Knaur, 2010

Bernhard Aichner: Dunkelkammer

Ein Obdachloser findet auf der Suche nach einem Unterschlupf in einem leerstehenden Apartment eine mumifizierte Leiche. Statt der Polizei benachrichtigt er seinen alten Weggefährten Bronski, Pressefotograf mit einer Vorliebe für die Dokumentation von Todesfällen. Mit an seiner Seite die Journalistin Svenja Spielmann und seine Schwester, ihres Zeichens Privatdetektivin. Denn die mysteriöse Tote hat mehr mit Bronskis Vergangenheit zu tun als ihm lieb ist…

Vorab muss ich sagen, dass mir mein erster Aichner ‚Bösland‘ wirklich gut gefallen hat. Der hatte eine gut durchdachte Story mit viel Tiefgang, die Charaktere waren sauber herausgearbeitet und glaubwürdig, das war eine spannende und runde Sache. Leider konnte ich davon im aktuellen Buch nicht so viel wiederfinden.
Gut gefallen hat mir der dynamische Schreibstil, den man schon aus Bösland kennt, mit vielen Perspektivwechseln und eingeschobenen Dialogen.
Aber alles andere war für mich wirklich enttäuschend, ich muss das leider so klar sagen.
Bereits zu Beginn der Buches trifft man auf Geschehnisse, die zwar theoretisch möglich, aber wenig wahrscheinlich sind. Das könnte man noch verkraften, wenn es sich um einen kleinen Ausrutscher handelt, nur leider ziehen sich die Ungereimtheiten und kruden Zufälle durch das gesamte Buch.
Zu allem Überfluss können die Charaktere die inhaltlichen Mängel der Story auch nicht wettmachen, eher im Gegenteil. Ich glaube, ein ähnlich irrationales und sprunghaftes Verhalten habe ich das letzte Mal auf dem Pausenhof in der 8. Klasse erlebt.
Und auch handwerklich waren da für mich einige Patzer drin. Wenn man schon einen Wechsel von Text- und Dialogpassagen hat, warum wählt man dann bei einer Schlägerei einen Dialog? Das hätte mit den ganzen Schmerzensausrufen besser in einen Comic gepasst, aber nicht in einen ernstzunehmenden Krimi.
Und den würde ich mir wieder von ihm wünschen.

Bewertung: 1.5 von 5.

Bernhard Aichner: Dunkelkammer. München: btb Verlag, 2021

Yrsa Sigurdardottir: DNA

Auf den ersten Blick haben die beiden Mordopfer wenig gemeinsam, außer der Tatsache, dass sie weiblich sind. Ansonsten könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Kommissar Huldar ermittelt in diesem ersten Teil der Thrillerserie in zwei Mordfällen, die vor allem durch ihre grausame und höchst ungewöhnliche Mordmethode ins Auge springen. Als ein Amateurfunker zufällig auf die Fährte des Mörders stößt, setzte schnell klar: er hat es nicht nur auf Frauen abgesehen…

Das ist doch mal eine Thrillerreihe nach meinem Geschmack, weil sie so wunderbar ruhig und unaufgeregt erzählt ist, ohne langweilig zu sein. Hier überschlagen sich nicht ständig in überraschenden Wendungen die Ereignisse, hier wird nicht das Kaleidoskop der Grausamkeiten ausgepackt und trotzdem kriegt man einen soliden Thriller daraus gestrickt. Das liegt vor allem an der gut entwickelten Geschichte und den überzeugenden Charakteren. Es hat vom Stil ein bisschen was von Adler-Olsen und den lese ich ausgesprochen gerne.
Allerdings war es für mich nicht ganz das gleiche Level, denn die Story fand ich in ihrer Auflösung nicht so überzeugend und etwas an den Haaren herbeigezogen. Da der Rest aber wirklich spannend und gut erzählt war, gibt es einen Daumen hoch und knappe vier Sterne.

Bewertung: 3.5 von 5.

Yrsa Sigurdardottir: DNA. München: btb, 2017 (Original 2014)

Marc Raabe: Zimmer 19

Den Auftakt des Thrillers bildet ein Snuffvideo, der zum Entsetzen der Zuschauer auf der Eröffnungsfeier der Berlinale gezeigt wird. Das Opfer: die Tochter des Bürgermeisters. Im Zuge der Ermittlung dringen Tom und sein Team nicht nur weiter in die geheimen Verstrickungen des ersten Teils vor, sondern auch in Sitas dunkle Vergangenheit…

Also, Band 1 fand ich ja ganz spannend und atmosphärisch ansprechend, auch wenn es da schon einige Kritikpunkte gab. Das Verhältnis hat sich hier direkt umgedreht. Spannung und Atmosphäre habe ich hier komplett vermisst, dafür gab es jede Menge Stoff zum Augenrollen, der mich mal zu ganz grundsätzlichen Worten herausfordert.

Ich lese ja neben ernsthafter Literatur ganz gerne mal einen Thriller, um mein Hirn zu entspannen. Aber so ein bisschen Niveau sollte es schon haben.
Will heißen, dass man sich bei der Entwicklung der Geschichte und der Figuren schon Mühe geben sollte. Das braucht schon eine gewisse Tiefe und schriftstellerisches Handwerk, um einen guten Thriller zu schreiben. Ansonsten kommt das raus, was ich leider in letzter Zeit immer häufiger gelesen habe: Thriller Fastfood.
Alles schlittert an der Oberfläche lang, die Charaktere sind flach und weil dem ganzen die Substanz fehlt, wird ein Feuerwerk an überkonstruierten und unrealistischen Ereignissen und Plottwists abgeschossen, das den Leser nur noch abhängt. Vor allem in amerikanischen Thrillern füllt man dieses Story-Vakuum gerne mal mit völlig übertriebenen und sinnlosen Gewaltexzessen, als würde es die Geschichte besser machen, wenn auf jeder zweiten Seite jemand gefoltert und gevierteilt wird.
Für ein gutes Essen wählt man doch auch hochwertige Zutaten und nimmt sich viel Zeit für die Zubereitung. Warum nicht das Gleiche beim Schreiben von Büchern?

Was mir schon beim ersten Teil übel aufgestoßen ist, nämlich einige der offenen Fragen nicht aufzulösen, sondern in den nächsten Teil mitzunehmen, gibt es leider auch hier. Ich will ja nicht spoilern, aber wer darauf gehofft hat, dass sich die Rätsel hier lösen…nun ja…

Bewertung: 1.5 von 5.

Marc Raabe: Zimmer 19. Berlin: Ullstein Verlag, 2019

Marc Raabe: Schlüssel 17

Der Schauplatz des Verbrechens ist so ungewöhnlich wie der Mord selbst: In der Kuppel des Berliner Doms hängt der Leichnam der Pfarrerin, auffällig drapiert und grausam zugerichtet. Um den Hals trägt sie einen Schlüssel mit der eingeritzten Zahl 17, der kurze Zeit später vom Tatort verschwindet.
Das Mysteriöse an diesem Schlüssel: Die kleine Schwester des Ermittlers verschwand vor vielen Jahren unter ungeklärten Umständen mit einem identischen Schlüssel. Und dieser birgt ein dunkles Geheimnis…

Puhhh, nicht einfach, bei diesem Buch zu einem Urteil zu kommen. Vieles fand ich richtig gut, wie zum Beispiel der beständige Wechsel der Erzählebenen. Das hat viel Dynamik reingebracht. So erfährt man in Rückblenden immer mehr über die Vergangenheit des Ermittlers Tom Babylon (was für ein Name…) und die Geschichte rund um den Schlüssel und seine verschwundene Schwester, die für ihn (und auch für den Leser) zunächst weitgehend im Dunklen liegt.
Extrem gut gelungen ist die unheimliche und gruselige Atmosphäre, die im Laufe der Geschichte immer wieder heraufbeschworen wird. Nicht unwesentlich trägt dazu die Wahl der Schauplätze bei, denn das verlassene Krankenhaus Beelitz ist glaub ich schon gruselig, wenn man im Rahmen eines Wanderausflugs zufällig vorbeikommt.
Diese unheimliche und spannende Grundstimmung hat mich auch anfangs sehr für das Buch eingenommen, ist aber im Laufe der Zeit durch zunehmende Verwirrung überlagert worden.
Zum Glück hatte ich in diesem Zustand meine Leserunde an der Seite, allerdings hatten wir allesamt zwischenzeitlich einen Knoten im Kopf. Aber schön, wenn man damit nicht allein ist!

Aber man ahnt schon, worauf das hinausläuft. Ein bisschen weniger komplexe Verwicklung hätte der Story sicher ganz gut getan. Der Kopfknoten hat sich zum Schluss zwar weitgehend gelockert, aber den einen oder anderen Schlenker (insbesondere in Richtung Stasi) hätte es für mich jetzt nicht gebraucht.

Bewertung: 3.5 von 5.

Marc Raabe: Schlüssel 17. Berlin: Ullstein Verlag, 2018