Jan Peter Bremer: Der junge Doktorand

Schon seit zwei Jahren wartet das Ehepaar Greilach in ihrer abgelegen Mühle auf die Ankunft des jungen Doktoranden, der dem alternden Maler zu neuem Ruhm verhelfen soll. Doch immer wieder wird der Besuch verschoben und die Erwartungen an den lang ersehnten Gast steigern sich ins Unermessliche. Als er dann endlich eintrifft, präsentiert er sich jedoch in einem gänzlich anderen Licht. „Was war denn das für ein Doktorand! Damit hatten sie einfach nicht rechnen können. Das ließ sich doch keinem erklären…“
Und auch der Doktorand hat nicht mit diesem Ehepaar gerechnet…

Wem bei der Kurzbeschreibung spontan Becketts Warten auf Godot in den Sinn kommt… nein, nicht wirklich, denn der Doktorand taucht schon zu Beginn des Buches auf. Und mit diesem Aufeinandertreffen entspinnt sich ein Feuerwerk an Situationskomik loriotschen Ausmaßes, das ich wirklich lustig fand. Diese Karikatur des oberflächlich-kleinbürgerlichen Lebens in all seiner Beschränktheit und das hilflose Agieren des einigermaßen verplanten Doktoranden war für mich ausgesprochen unterhaltsam, jedenfalls in der ersten Hälfte des Buches. Danach nutzt sich das Motiv etwas ab und der Autor verliert sich in der Person des Malers gelegentlich in Monolgen, was das Unterhaltungsbarometer etwas nach unten getrieben hat. Aber zum Glück ist das Buch recht schmal und ist dann auch zu Ende, bevor sich das zu einem echten Problem auswächst.

Bewertung: 4 von 5.

Jan Peter Bremer: Der junge Doktorand. Berlin: Berlin Verlag, 2019

Daniel Kehlmann: Tyll

Richtig, hier geht es um Till Eulenspiegel, den man zumindest vom Namen nach kennt oder sogar von den überlieferten mittelalterlichen Schwanksammlungen. Als fahrender Gaukler mit anarchistischem Potential zog er übers Land und hielt den Leuten ungeachtet ihres Standes einen Spiegel vor. Also eine durchaus interessante Persönlickeit, von der man nicht so genau weiß, ob sie tatsächlich gelebt hat, obwohl es dazu einige Hinweise geben soll. Aber das ist in diesem Zusammenhang auch nicht so wichtig, denn Till ist eigentlich nur der Aufhänger für eine anschaulich-drastische Geschichte über die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Das ist zwar rund 300 Jahre später als der Eulenspiegel-Figur zuzuordnen, aber alle wesentlichen Merkmale des Mittelalters zeigen sich auch hier: Hunger, Elend, Gewalt, Krieg, Kindersterblickeit, Aberglauben, Hexenverbrennung oder auch das einigermaßen befremdliche Machtgeschacher der Adligen. Und dass die Gaukler vielleicht nicht aus einer fröhlichen Eingebung heraus übers Land gezogen sind, lässt sich irgendwie auch vermuten.

Tyll wird zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Sohn eines Müllers geboren, der schon bald in einen Konflikt mit der Kirche gerät und hingerichtet wird. Tyll muss fliehen, begleitet von der Bäckerstochter Nele. Auf seinem Weg durch das von Religionskriegen durchzogene Land begegnen sie den unterschiedlichsten Leuten: angefangen von Pirmin, dem Jongleur über den fanatischen Jesuiten Tesimond bis hin zum Könispaar Elisabeth und Friedrich von Böhmen, die für den Ausbruch des Krieges maßgeblich verantwortlich sind. Ihre Geschichten verbinden sich zu einem Spiegel der Zeit, dessen Wahnsinn uns die Figur des Eulenspiel meisterhaft vor Augen führt.

Das war mein erster Kehlmann und bestimmt auch nicht mein letzter, denn das Buch hat mich wirklich gut unterhalten. Ein schöner Schreibstil, sehr plastisch, inhaltlich facettenreich und mit ausdrucksstarken Charakteren. Auf kurzweilige Art bekommt man einen vielschichtigen Einblick in das Leben in dieser Zeit und kann sich in seinem warmen Kämmerlein freuen, dass man ein paar Jahrhunderte später geboren ist. Auch den Einstieg ins Buch fand ich extrem gelungen.
Für mich krankte das Buch etwas daran, dass es vor allem in der zweiten Hälfte einige Längen hat. Da gerät doch der eine oder andere Protagonist ins monologisieren und das hat zwischendurch die Spannung rausgenommen. Aber trotz allem eine ganz klare Leseempfehlung.

Bewertung: 3.5 von 5.

Daniel Kehlmann: Tyll. Hamburg: Rowohlt, 2017

Jo Nesbo: Der Schneemann

Im siebten Teil der Harry Hole-Serie geht es um einen Serienmörder mit einem speziellen Markenzeichen: am Tatort hinterlässt er einen Schneemann. Vier Frauen sind ihm bereits zum Opfer gefallen, alle brutal ermordet. Als sich Harry Hole des Falles annimmt, entdeckt er zwischen den Frauen einige Gemeinsamkeiten: alle waren verheiratet, hatten Kinder und nahmen es offenbar mit der Treue nicht so genau. Und zwei von ihnen besuchten den gleichen Arzt, einen Spezialisten für Erbkrankheiten…

Für mich eines der besten Bücher aus dieser Serie, die ich an sich schon gelungen finde, einfach weil ich die Figur des Harry Hole sehr authentisch und sympathisch finde. Ich seh da so ein bisschen Nesbo vor mir und ein Teil von ihm steckt da sicher auch mit drin.

Diesen siebte Teil finde ich schon mal vom Motiv des Schneemanns her bestechend, da das so eine latenten Gruseleffekt erzeugt. Ähnlich wie der bedrohliche Horrorclown, der plötzlich auftaucht. Zusätzlich besticht dieser Teil durch eine wirklich gute Story – originell, genau durchdacht und spannend umgesetzt. Vor allem die Wendung in der zweiten Hälfte des Buches, in der der Täter in Erscheinung tritt, gibt dem Ganzen nochmal einen Kick und legt dramaturgisch nochmal eine Schippe drauf.

Wie viele andere Thriller kommt Nesbo auch hier nicht mit dem klassischen Showdown aus und manchmal ist mir das einen Tick zu viel, aber hier geht es gerade noch so durch.

Bewertung: 4.5 von 5.

Jo Nesbo: Der Schneemann. Berlin: Ullstein Verlag, 2009 (Norwegisches Original 2007)

Tonio Schachinger: Nicht wie ihr


Wäre das Buch nicht auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis und hätte ich mir nicht vorgenommen, diesmal alle nominierten Titel zu lesen, hätte ich es wohl nicht in die Hand genommen, denn hier geht es um Fußball. Genauer, um ein Jahr im Leben des Fußballstars Ivo Trifunović, in dieser Geschichte einer der bestbezahlten Fußballer der Welt. Nun habe ich keine großen Schnittstellen zum Thema Fußball, kann mir aber auch in dem Rahmen interessante Handlungen vorstellen, suggeriert doch der Titel eine Coming Out-Geschichte oder zumindest mal irgendwas mit Tiefgang.

Aber nichts falscher als das. Vielmehr bekommt man einen kleinen Einblick in das Leben der Superreichen, nur leider von der allerdumpfesten Sorte. Ich fühlte mich über weite Strecken so, als hätte der Autor in der letzten Eckkneipe mitstenographiert und das nach dem zehnten Bier der dort Versammelten. Man erfährt so einiges über europäischen Fußball, das nervige Leben als Prominenter, die geilen Brüste der Ehefrau und diverse Pornophantasien und vor allem lernt man Kraftausdrücke jeglicher Art, noch dazu mit Wiener Dialekt. Aber will man das wirklich wissen?Dass ich nicht nach dem ersten Drittel abgebrochen habe, lag daran, dass es mich dann doch interessierte, wie die Affäre mit Ivos Jugendliebe Mirna weitergeht. Vielleicht habe ich auch gehofft, dass noch was Geistreiches kommt, schließlich ist das Buch ja für den Buchpreis nominiert. Aber das ist für mich bis zum Schluss ein Rätsel geblieben. Und auch das mit der Affäre, puhhh, aber lest selbst…
Das Buch wird auf dem Klappentext als rotzig, deep und fresh angepriesen. Ist das rotzig und fresh, wenn gefühlt auf jeder zweiten Seite Hurensohn steht? Kleine Kostprobe gefällig?

Ivo möchte seine Tochter vom Kindergarten abholen, nur leider steht er nicht auf der Abholliste und der Erzieher will das Kind nicht irgendjemandem rausrücken, der da mal eben so vorbeischaut. Logisch. Wahrscheinlich holt sonst immer die Frau oder die Nanny die Tochter ab…

Was soll los sein, oida! Ich steh hier in Lenas Kindergarten und dieser absolute Hurensohn von einem Scheißkindergärtner lässt sie mich nicht abholen, weil ich nicht auf irgendeiner Liste stehe.“ (S.175f)

Nun könnte man einwenden, vielleicht will der Autor unserer Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Den Blick schärfen für die hohlen Nüsse unter denen ganz oben auf der Gehaltsliste. Aber dazu muss ich nur mal kurz den Fernseher anmachen. Und wenn man diesen Anspruch hat, muss man das schriftstellerisch schon geschickter anstellen.
Deep? Ja, unterirdisch.

Bewertung: 1.5 von 5.

Tonio Schachinger: Nicht wie ihr. Wien: Kremayr & Scheriau, 2019

Jackie Thomae: Brüder


Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Mick, dessen Leben eine einzige Party ist und der sich nicht festlegen möchte. Und der Architekt Gabriel, dessen Leben nach einem gut strukturierten Plan verläuft. Auf den ersten Blick verbindet sie nichts, außer ihrer Hautfarbe. Doch sie sind Kinder desselben Vaters, den sie nie kennengelernt haben.

Das Buch ist in zwei Hälften unterteilt, zwei Brüder, zwei Leben. Flankiert werden die beiden Geschichten durch Schilderungen zum gemeinsamen Vater, der das Bindeglied bildet wie ein Scharnier. Beide versuchen auf ganz unterschiedliche Art, ihren Weg im Leben zu finden. Die unterschiedlichen Lebenläufe, ihre Entwicklung und die Beziehungen auf diesem Weg sind das wesentliche Thema des Buches und von der Autorin gut in Szene gesetzt worden. Ich bin diesen Weg gerne mitgegangen, auch wenn ich mit dem zweiten Teil des Buches deutlich mehr anfangen konnte als mit der partylastigen ersten Hälfte. Die Grundidee und den Aufbau des Buches fand ich ebenfalls gut gelungen. Unterm Strich war mir aber keine der Figuren wirklich nahe gekommen, was wohl an dem distanzierten Erzählstil gelegen haben muss. Man beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung, aber steckt nicht drin. Mit war auch der starke Kontrast der Brüder einen Tick zu viel, das war mir zu schwarz-weiß und wirkt dann fast wie eine Charakterschablone.
Ich denke auch, es hätte dem Buch besser getan, wenn es ein paar Seiten weniger gewesen wären.

Bewertung: 3 von 5.

Jackie Thomae: Brüder. München: Carl Hanser Verlag, 2019

Norbert Scheuer: Winterbienen


Januar 1944, Eifel. Während die alliierten Bomber über Deutschland kreisen und sich sämtliche wehrtaugliche Männer an der Front befinden, kämpft der Bienenzüchter Egidius Arimond an anderen Fronten. Wegen seiner Epilepsie ausgemustert, läuft er jeden Tag Gefahr, als Volksschädling deportiert zu werden. Lediglich sein Bruder, der dem Reich als Kampflieger dient, sichert sein Überleben. Und das ist gefährlich, denn in präparierten Bienenstöcken schmuggelt er Juden über die Grenze.

Das Grundthema des Buches hat mir wirklich gefallen, die Stimmung des letzten Kriegsjahres mit der immer größer werdenden Bedrohung durch die Luftangriffe der Alliierten, verbunden mit der Hoffnung auf Befreiung, war sehr gut eingefangen. Man erfährt viel über die Nöte des Alltags im Krieg und um den Umgang mit dem Bedürfnis nach Liebe und Geborgenheit in diesen Zeiten.
Leider fand ich die schriftstellerische Umsetzung nicht sehr gelungen, auf mich wirkte es über weite Strecken langatmig und in den raumgreifenden Schilderung über die Bienenzucht ermüdend. Die seitenlangen Ausführungen über das Imkerhandwerk mögen zwar an anderer Stelle interessant sein, waren mir hier aber zuviel des Guten, denn sie haben real oder gefühlt mindestens die Hälfte des Buches ausgemacht. Wenig anfangen konnte ich auch mit den lateinischen Übersetzungsarbeiten des Protagonisten zu einem frühen Verwandten, der im Kloster gelebt und die Tradition des Bienenzüchtens in die Familie gebracht hat. Hat für mich den Erzählfluss zusätzlich gestört.

Bewertung: 3 von 5.

Norbert Scheuer: Winterbienen. München: C.H. Beck Verlag, 2019

Miku Sophie Kühmel: Kintsugi


Kintsugi ist das japanische Kunsthandwerk, zerbrochenes Porzellan mit Gold zu reparieren. Und um Brüche und um die Versuche, diese Brüche zu kitten, geht es in diesem Romandebüt.
Zwei Paare und ein gemeinsames Wochenende im Ferienhaus. Dass dieses Arrangement Stoff für Dramen jeglicher Art liefert, ist sicher keine Überraschung und auch kein neues literarisches Motiv. Das hat man schon gelesen und wahrscheinlich noch öfter im Fernsehen gesehen.
Aber sicher nicht in der Konstellation. Denn bei Paar Nr. 1 handelt es sich um Max und Reik, die seit zwanzig Jahren eine homosexuelle Vorzeigebeziehung führen. Vermeintlich, wie sich bald herausstellt. Paar Nr. 2 ist Reiks Jugendliebe Tonio und seine inzwischen 18jährige Tochter Pega. Um die Beziehungen untereinander, die feinen Brüche und das Ausloten von vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Möglichkeiten und Sehnsüchten handelt dieser Roman.

Für mich ist ein klassisches Beispiel für einen Roman, der mich zwiespältig zurücklässt. Das genaue Ausleuchten der Beziehungen, die leicht melancholische Sprache und das Bild der zerbrochenen Teetasse, die verschiedenste Leute zu reparieren versuchen, hat mich sehr angesprochen. Zerstört, aber kunstvoll wieder zusammengesetzt – welch ein Bild. Und ein Ausblick, denn damit endet auch dieses Buch.

Und an den Stellen, wo die Risse waren, die Splitter, die Brüche, glänzt in verästelten Linien das Gold wie Adern aus Licht.“

Mir gefällt die fein beobachtende, poetische Sprache wirklich sehr und die japanischen Kapitelüberschriften sind sensationell gut. Ein Wort, eine ganze Geschichte. Nur leider, leider blieben mir die Charaktere bis zum Ende seltsam fremd und wie auf dem Reißbrett entworfen. Ich konnte keinen wirklichen Zugang zu diesem Buch finden.

Bewertung: 3 von 5.

Miku Sophie Kühmel: Kintsugi. Frankfurt am Main: Fischer, 2019

Stephen King: Friedhof der Kuscheltiere


Louis Creed zieht mit seiner Frau und seinen beiden Kindern von Chicago nach Maine, in ein kleines Haus am Waldrand. Hinter ihrem Haus beginnt ein riesiges Waldgebiet, ehemaliger Stammesbesitz der Micmac-Indianer. Schon bald stellt die Familie fest, dass es im Wald hinter ihrem Haus einen Haustierfriedhof gibt, der von den Kindern des Dorfes genutzt wird, um ihre Haustiere zu beerdigen. Und Louis hört von dem Gebiet hinter dem Friedhof, hinter der Grenze, die nicht überschritten werden darf. Wer seine Toten dort begräbt, wird sie schon bald wiedersehen…

Mit den neueren Romanen von King konnte ich oft nicht so viel anfangen, aber diesen finde ich immer noch richtig gut.
King schafft es wie kaum ein anderer, einen in die Geschichte zu verwickeln und eine subtile Spannung zu erzeugen, auch wenn tatsächlich gar nicht so viel passiert. Wo andere Autoren mit viel Getöse arbeiten, kommt er mit ganz unterschwelligen Mitteln aus und selbst die zwischenzeitlichen Längen kommen einem bei ihm viel kürzer vor. Man kann von ihm halten, was man will, gruselige Geschichten erzählen kann er wie kaum ein zweiter.
Und das ist auch diese, gruselig, unheimlich und sehr spannend. Auch wenn ich so gar nicht auf Zombie, Splatter und Co stehe, hat mich dieses Buch auch beim zweiten Lesen gepackt. Für mich eines der Besten von King.

Bewertung: 4 von 5.

Stephen King: Friedhof der Kuscheltiere.

John Katzenbach: Der Patient


Am Abend seines 53. Geburtstages erhält der Psychiater Frederick Starks einen anonymen Brief, unterzeichnet mit dem Namen Rumpelstilzchen. Es ist die Einladung zu einem makaberen Spiel. 15 Tage hat er Zeit, Rumpelstilzchens wahren Namen herauszufinden. Gelingt ihm das nicht, werden seine Familienangehörigen sterben, einer nach dem anderen. Oder er gibt auf und opfert sein eigenes Leben.

Die Grundidee und die Anknüpfung an das Märchen der Gebrüder Grimm finde ich schon mal klasse. Die Geschichte ist ausgesprochen spannend und gut konstruiert. Die allmähliche Auflösung eines sicher geglaubten Lebens, in dem nichts mehr ist, wie es mal war und man niemanden mehr trauen kann, ist sehr überzeugend dargestellt und fesselt einen komplett an dieses Buch. Ich hätte jetzt gerne auch originell geschrieben, denn die Idee ist wirklich gut, nur leider kommen viele Elemente des Buches auch in dem Film ‚The Game‘ vor und das wirkt dann schon etwas abgekupfert. Nun hat der Autor die Geschichte in einen anderen Rahmen gestellt und im zweiten Teil auch etwas ganz Eigenes reingebracht, in dem das Opfer den Spieß umdreht und selbst zum Jäger wird. Und der Film ist einfach mal großartig, so dass es mich letztlich nicht so sehr gestört hat, dass Katzenbach sich hier an der einen oder anderen Stelle bedient hat. Er hat einen super Thriller draus gemacht.

Bewertung: 4.5 von 5.

John Katzenbach: Der Patient. München: Knaur Taschenbuch Verlag, 2016 (Amerikanisches Original 2012)

Ian McEwan: Nussschale

Ein klassisches Motiv: der Vater, die Mutter und ihr Liebhaber. Letztere planen einen Mord an dem im Wege stehenden Ehemann. Erzählt wird das Ganze aus der Perspektive des Sohnes. Nur ist dieser Sohn noch gar nicht geboren. Er befindet sich noch im Mutterleib und ist damit so nah dran am Geschehen, wie man nur sein kann.

So, hier bin ich, kopfüber in einer Frau. Ich warte, die Arme geduldig gekreuzt, warte und frage mich, in wem ich bin und worauf ich mich eingelassen habe.
Das habe ich mich allerdings auch…


Ganz ehrlich, hätte ich vorher von der Erzählperspektive gewusst, wer weiß, ob ich das Buch gelesen hätte. Denn das klingt für mich schon aus der Entfernung betrachtet ziemlich albern. Das ist jetzt nicht so, dass ich mich nicht auch mal auf Gedankenexperimente und fantastische Geschichten einlassen würde. Es ist zugegebenermaßen auch eine originelle Idee, nur… ich konnte mit ihr so gar nichts anfange
Wenn ein ungeborenes Kind im Mutterleib über philosophische Fragen und die politische Weltlage monologisiert oder sich über die verschiedenen Weinsorten auslässt, die die wenig fürsorgliche Mutter täglich in sich hineinschüttet, kann ich nur sagen: Sorry, da bin ich raus…

Falls sich einer fragt, woher der noch nicht mal Geborene seine ganze Weisheit hat, wo noch nicht mal die Mutter die Allerhellste ist…von den Podcasts, die sie hört! Na aber sicher…
Natürlich kann McEwan auch weiterhin gut schreiben und die Story an sich ist auch nicht schlecht, hat aber in den mitunter seitenlangen Erörterungen des Ungeborenen ihre Längen und scheitert bei mir ganz klar an der Erzählperspektive.
Schade, denn ich schätze den Autor ansonsten sehr.

Bewertung: 2.5 von 5.

Ian McEwan: Nussschale. Zürich: Diogenes Verlag, 2016 (Original 2012)