
Das hellste und größte Haus der Reihenhaussiedlung am Waldrand. Ein Stück heile Welt, könnte man meinen. Doch hinter den Türen wohnt die Angst, denn der Hausherr ist ein gewalttätiger Tyrann. Regelmäßig lässt der passionierte Großwildjäger seine Launen an seiner Ehefrau aus, die er grün und blau prügelt. Klaglos ergibt sie sich ihrem Schicksal, so dass die beiden Kinder Schutz und Trost nur untereinander finden.
Nachdem die Kinder Zeuge eines tödlichen Unfalls werden, ist der kleine Bruder Gilles wie ausgewechselt: er hat sein ‚Milchzahnlächeln‘ verloren. Und so hat die große Schwester fortan nur noch ein Ziel: eine Zeitmaschine zu bauen, um dieses schreckliche Erlebnis rückgängig zu machen und ihm sein Lachen zurückzuholen.
Puhhh, das ist ganz, ganz schwere Kost, die einem hier verabreicht wird. Selbst ich musste bei den Beschreibungen der Familienatmosphäre ein paarmal hart schlucken und ich hab keine häusliche Gewalt erlebt. Wie mag es da Lesern gehen, die das aus ihrer eigenen Kindheit kennen…
Die Autorin schafft es aus der kindlichen, sehr bildhaften Ich-Perspektive die Atmosphäre genau abzubilden und mit wenigen Worten alles Wesentliche auszudrücken.
Die blasse, hilflose, aber auch passive Mutter als Amöbe… mehr braucht man dazu eigentlich nicht sagen.
Sehr bewegend fand ich die Beziehung der Geschwister untereinander, die auf eine harte Probe gestellt wird und das verzweifelte Bemühen der Schwester, ihren kleinen Bruder zu retten. Das Spiel mit dem Motiv der Zeitreise ist dabei sehr gelungen eingebunden worden.
Adeline Dieudonné: Das wirkliche Leben. München: dtv, 2020